Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Sittlichkeit. 
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diese Abstractionen deswegen wohl einerseits das, seit wir von Menschen 
geschlechtern wissen, erste ungeheure Schauspiel hervorgebracht, die Ver 
fassung eines großen wirklichen Staates mit Umsturz alles Bestehenden 
und Gegebenen nun ganz von vorne und von Gedanken anzufangen 
und ihr bloß das vermeinte Vernünftige zur Basis geben zu 
wollen, andererseits, weil es nur ideenlose Abstractionen sind, haben 
sie den Versuch zur fürchterlichsten und grellsten Begebenheit gemacht." 1 
Das äußerste Gegentheil davon ist die hallersche „Restauration", 
die im Staate nichts von Gedanken und Vernunft, von Gesetz und 
Gesetzgebung wissen will, sondern es soll im Staate nur gelten die 
absolute Herrschaft der von Gott eingesetzten Autorität und der blinde 
Gehorsam aller anderen. Der Mächtige herrscht. So hat es Gott 
gewollt und geordnet sowohl in der unbelebten als in der belebten 
Natur, wie namentlich in der Thierwelt, wo sich diese Ordnung der 
Dinge uns täglich vor Augen stellt. Wenn aber an die Stelle der 
Macht und Autorität die sogenannten Gesetze und Rechte treten, dann 
herrschen die Advocaten und Rabulisten, welche die armen Leute zer 
fleischen, „wie der Geier das unschuldige Lamm". Aber daß der Geier 
das Lamm zerfleischt, geschieht ja gerade, wie Hegel treffend bemerkt, 
nach der von Haller beliebten göttlichen Ordnung der Dinge. Der 
Widerspruch ist zum Greifen. „Es wäre aber zu viel gefordert, daß 
da zwei Gedanken zusammengebracht wären, wo sich nicht einer findet. 
In der Familie herrschen die Penaten, die inneren, unteren 
Götter, im Staate herrscht „Athene, der Volksgeist, das sich 
wissende und wollende Göttliche; die Tugend der Familie ist die 
Pietät, die des Staates ist die politische und patriotische Gesinnung, 
recht eigentlich die politische Tugend". 3 
Die Autorität des Staates gilt unabhängig von aller Willkür, 
sie ist unbedingt und göttlich; zugleich aber ist sie von seiten des Sub 
jects gewußt und gewollt, denn ihr Princip ist der vernünftige Wille. 
Eine solche unbedingte und göttliche Autorität nimmt auch die Religion, 
in Ansehung ihrer Handlungen und Lehren, d. h. des Cultus und der 
Dogmen in Anspruch, sie gilt und will gelten unabhängig nicht bloß 
von aller menschlichen Willkür, sondern auch von aller menschlichen 
Vernunft, denn ihr Princip ist nicht der vernünftige Wille, son 
dern bestimmte göttliche Offenbarungen. Hieraus ergeben sich nun 
* Ebendas. § 258. S. 206—208. — 2 Ebendas. § 258. S. 309-313. (Anmerk. 
S. 810-812.) - - Ebendas. § 257. S. 306.
	        
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