Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Wissenschaft vom objectiven Geist. 
borstig sie sind, ausgleichen und gegen einander abschleifen. In dieser 
„Glättung der Besonderheit", wie Hegel treffend sagt, besteht die 
Bildung. 1 
Wenn man die gesellschaftlichen Massen der verschiedenartigsten 
Bedürfnisse und Befriedigungen betrachtet, so glaubt man ein unermeß 
liches Chaos zerstreuter Einzelheiten, ein Gewimmel von Zufälligkeiten 
und Willkür vor sich zu sehen, worin alle Nothwendigkeit, aller leitender 
und regierender Verstand gänzlich fehlt. Aber es ist mit dem System 
der Bedürfnisse wie mit dem Planetensystem: scheinbar lauter Unregel 
mäßigkeiten, in Wahrheit lauter Gesetze. Die Regelmäßigkeiten und 
Gesetze, welche das System der Bedürfnisse beherrschen, aufgefunden zu 
haben, ist das Verdienst einer Wissenschaft, welche unter den neuen die 
neueste ist, nämlich die „Staatsökonomie", als deren Repräsentanten 
Hegel drei Namen nennt, den Begründer und seine beiden fortschreiten 
den Schüler: den Schotten Ad. Smith, den Franzosen I. Bapt. Sah 
und den portugiesisch-jüdischen, in London geborenen Holländer David 
Ricardo/ 
Die gesellschaftlichen Bedürfnisse bilden Sphären, die sich zu 
größeren Gruppen vereinigen, die sich wechselseitig auf einander be 
ziehen und gesellschaftliche, qualitativ und quantitativ bestimmte Massen 
sind, woraus, wie die Logik lehrt, Maaße und Maaßverhältnisse her 
vorgehen. Die socialen Maaßverhältnisse finden ihren präcisen Aus 
druck in der Statistik, auf welche Hegel an dieser Stelle hätte hin 
weisen sollen/ 
Der Kreis der thierischen Bedürfnisse und Befriedigungen ist und 
bleibt beschränkt. Die menschlichen Bedürfnisse dagegen wollen nicht 
bloß befriedigt, sondern auf die leichteste, angenehmste, bequemste (oom- 
fortable) Art befriedigt werden, was nur durch fortschreitende Arbeit 
geschehen kann. Dadurch werden die Bedürfnisse ins Endlose sowohl 
vervielfältigt als auch verfeinert. Der gesellschaftliche Zustand, der 
diese Neigung hervorruft und bezweckt, ist der Luxus, womit die Ver 
mehrung des Reichthums auf der einen und die des Elends und der 
Armuth auf der entgegengesetzten Seite unmittelbar zusammenhängt? 
* Ebendas. §§ 182—187. S, 240-248. — 2 Adam Smith 1723-1790. An 
inquiry into the nature and causes of the weelth of nations 1776. I. Bapt. 
Sah (Großvater von Leon Sah) 1767—1832. Traitd d’economie politique 1803, 
Dav. Ricardo 1778—1823. Principien der politischen Oekonomie 1817. — 
2 Hegel. VIII. Z 189. S. 249. — 4 Ebendas. §§ 190-195. S. 250-254.
	        
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