Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Das Recht. 
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Nichtigkeit des Rechts, das gewollte Nicht-Recht, das unendliche Urtheil 
des besonderen Willens: dieser Gipfel des Unrechts ist „Zwang und 
Verbrechen". 
Das abstracte und formelle Recht, dessen Thema die Sachen und 
Leistungen äußerer Art sind, hat den Charakter der Erzwingbarkeit 
und muß ihn haben, weil es sonst aufhört zu gelten und zu sein. 
Wenn ihm kraft des Verbrechens Zwang und Gewalt angethan wird, 
so muß es durch Zwang und Gewalt aufrecht erhalten und wieder 
hergestellt werden können. Das Recht gilt unbedingt, jede Vernichtung 
des Rechts ist darum nichtig, sie ist unbedingt nichtig. Dieses 
unbedingte Zwangsrecht gegen den unrechtmäßigen Zwang und das 
Verbrechen ist die Strafe. Dadurch erst verwirklicht sich das Recht und 
erweist sich als Macht und Wirklichkeit. Mit Hegel und nach hegelscher 
Methode zu reden, ist die Strafe die absolute Negativität des Rechts, 
d. h. seine Affirmation. Die Negation des Rechts ist das Verbrechen, 
die Negation dieser Negation ist die Strafe. Die ganze Strafrechts 
theorie Hegels, welche der Philosoph 'so gern als ein Beispiel seiner 
Methode und seiner Freiheitslehre gebraucht hat, folgt aus diesem Satze. 
Das Verbrechen muß nichtig sein oder es giebt kein Recht. Die Strafe 
ist die Manifestation dieser Nichtigkeit.^ 
Was sich in der Strafe offenbart, ist das Recht und die Ge 
rechtigkeit. Dies ist der Begriff der Strafe, woraus alles weitere 
folgt. Es ist daher grundfalsch, sie als ein Uebel anzusehen, welches 
besser nicht wäre, und sie demgemäß zu behandeln. Das Verbrechen 
sei das erste Uebel, die Strafe das zweite. Nun scheint es den neueren 
Strafrechtslehrern absurd zu sein, „ein Uebel bloß deswegen zu wollen, 
weil schon ein anderes Uebel vorhanden ist". Ist einmal die 
Strafe ein unvermeidliches Uebel, so müsse man suchen, dasselbe in 
ein Mittel zum Guten zu verwandeln. Dieser untergeordnete und 
utilistische Standpunkt beherrscht die neueren Strafrechtstheorien, denen 
zufolge die Strafe zur Verhütung, Abschreckung, Androhung, Besser 
ung u. s. f. dienen soll. Solche untergeordnete Gesichtspunkte dienen 
zur Bestimmung der Modalität der Strafe, aber zur Begründung 
der Strafe taugen sie nichts. 
Nach der feuerbachschen Abschreckungstheorie werden den Menschen 
die Strafen als angedrohte Uebel vorgehalten, wie dem Hunde der 
1 Ebendas. C. Zwang und Verbrechen. §8 90—97. S. 127—132. Vgl. oben 
Buch II. Cap. IV. S. 276—278.
	        
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