Volltext: Bildhauer Adolf Wagner von der Mühl

die in der Kollektivausstellung von Wer- 
ken Wagners, welche die Direktion des 
oberösterreichischen Landesmuseums im 
Sommer 1926 veranstaltete, zum erstenmal 
der Öffentlichkeit vorgeführt wurden. Sie 
stellen den ausrückenden Soldaten und 
den die Scholle ackernden Bauer, eine Kliv 
und eine Caritas dar, ruhige Gestalten 
von ernster gesammelter Stimmung, unter 
denen die des Landmannes und der Cari- 
tas besonders geglückt sind. Die Kliv ist 
durchaus keine konventionelle Figur aus 
dem verstaubten Rüstsaal der Akademie, 
sondern ein derbes, stämmiges Mühlviert- 
ler Bauernmädchen mit einem dickleibigen 
Schweinslederfolianten in der rechten und 
einem Lorbeerkranz in der herabhängen- 
den linken Hand. Auf die Geschlossenheit 
der Masse hat der Künstler hier sein be- 
sonderes Augenmerk gerichtet und im Aus- 
druck auf jedes Pathos verzichtet. Es liegt 
etwas von tragischer Größe in diesen vier 
Gestalten, die ein ungeheures Schicksal mit 
stiller Fassung zu tragen scheinen. Keiner 
der Besucher der Linzer Ausstellung konn¬ 
te sich ihrer Wirkung entziehen und Einzel- 
heiten, wie das schlummernde nackte Kind, 
das die Caritas im rechten Arm trägt, 
wurden aufs höchste bewundert. 
Hoffen wir, daß es der Linzer Sparkasse 
bald möglich sein werde, die vier Fiiguren 
in Edelmaterial ausführen zu lassen und 
damit die oberösterreichische Landeshaupt- 
stadt um ein Monumentalwerk von erstem 
Range zu bereichern! 
Dies war auf lange Jahre hinaus der 
letzte große Auftrag monumentaler Art. 
der Wagner zuteil wurde. In den Nach- 
kriegsjahren sah sich infolgedessen der 
Künstler gezwungen, sich der Kleinplastik 
zuzuwenden, auf deren Gebiete die Schein- 
konjunktur der Inflationsepoche eine zeit- 
lang günstige materielle Erfolge verhieß. 
Wir haben diese Wendung durchaus nicht 
zu bedauern, verdanken wir ihr doch eine 
langeReihe der entzückendstenSchöpfungen 
des Künstlers, Kleinbronzen und Schnitze- 
reien in Buchsholz, die von einer reichen 
plastischen Phantasie und vollendeter 
Kenntnis und Beherrschung des Materials 
Zeugnis ablegen. Während Wagner in sei- 
nen großen Marmvrkompositivnen durch 
Geschlossenheit der Masse und den ruhigen 
Amriß ernst und monumental wirkt, 
schwelgt er in seinen Bronzen in lebhaf- 
ten Bewegungsmotiven und ausladenden 
Gebärden. Mit Borliebe entnimmt er die- 
se Motive dem modernen Sportleben, und 
der „Athletik-Sportplatz" in Wien hatte 
in ihm eine zeitlang einen seiner eifrigsten 
und aufmerksamsten Besucher. Wagners 
„Fußballspieler" ist in Hunderten von 
Exemplaren auf der ganzen Welt, bis nach 
Indien und Australien, verbreitet: auch 
in vielbewegten Zwei- und Dreifiguren- 
Gruppen hat er Situationen des Fußball- 
spieles plastisch verwertet (Abb.). Eine 
graziös bewegte Gruppe „Menuett" stellt 
ein tanzendes Biedermeierpärchen dar, die 
anmutvoll um die eigene Achse sich dre- 
hende, schlanke „Tänzerin" hält die Erin¬ 
nerung an eine russische Künstlerin fest. 
Ein Bewegungsmotiv von entzückender 
Frische bietet die Bronze „Scherzo", eine 
junge, nackte Rhmphe darstellend, die mit 
einem lachenden Faunbuben auf ihrem 
Haupt eilenden Laufes daherkommt. Bon 
groteskem Humor sind die Kleinbronzen 
„Hochzeitsreise", der „Teufel" und „(Zun- 
ger Faun mit Affe" erfüllt, während die 
Statuetten altdeutscher Spielleute (Abb.) 
durch ihre drollige Beweglichkeit wirken 
Die jüngste der Kleinbronzen, ein ruhig 
ausschreitender „Sämann" ist in der 
Masse und Linie ernst und monumental, 
wie etwa eine Arbeit von Meunier. Den 
Bogel aber hat Wagner mit seinem 
prachtvoll bewegten „Rattenfänger von 
Hameln" (Abb.) abgeschossen, der, von al¬ 
len Seiten gesehen, eine interessante Sil- 
houette zeigt und schon aus diesem Grunde 
als figurale Bekrönung eines Märchen- 
brunnens etwa überaus dankbar auszu- 
führen wäre. Manche seiner kleinplasti- 
fchen Motive hat Wagner sowohl in Bron- 
ze als auch in Buchsholz ausgeführt, wie 
z. B. seine liebreizende, kleine, aus den 
Wellen tauchende „Benus Anadhomene", 
in deren Haaren sich ein Amorett verfan¬ 
gen hat. 
Die Schnitzereien in Buchsholz sind na- 
türlich Anikate, während die Kleinbronzen 
in beliebig großer Anzahl hergestellt wer- 
den können. Doch sind diejenigen Bronzen, 
die in des Künstlers eigenem Berlag er- 
schienen sind, durchschnittlich nur in etwa 
zehn Exemplaren gegossen, so daß ihnen 
auch ein hoher Sammelwert zukommt. 
Sämtliche in Linz ausgestellte Kleinbron- 
zen waren vom Künstler selbst bearbeitete 
Originalstücke. Jeder Kenner und Samm- 
ler von Bronzen weiß, was es für einen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.