Volltext: Das Steyrer Kripperl

Geramb und Zack. 
über dem Firmament ober dem Krippenberg und ober der Krippenlandschaft neuer¬ 
dings eine viel größere, nähere und greifbarere Stadt ausbreitet. Gerade diese Zeit- 
und Raumwidrigkeit, besser gesagt, dieses selbstverständliche Hinwegsetzen über 
Raum und Zeit, das sich ja in alten Kunstwerken immer wieder findet, gehört mit 
zu den reizvollsten Eigenarten der Volkskunst. 
Übrigens ist diese eigentliche „Krippe" nicht nur inhaltlich, sondern auch tat¬ 
sächlich in das Gefüge des übrigen Bühnenbildes nur hineingestellt. Denn die ,,Krippe" 
ist auswechselbar und wird zu den verschiedenen heiligen Zeiten auch wirklich ge¬ 
wechselt. So wird z. B. im Advent ein ganz anderes Szenenbild hier eingefügt, nämlich 
die Kammer der seligsten Jungfrau und die Verkündigung des Erzengels Gabriel. Erst 
vom heiligen Abend an erscheint die eigentliche Krippe, der vom 5. Jänner an die 
heiligen drei Könige zugesellt werden, während später noch die Beschneidung im Tempel 
und die Flucht nach Ägypten hiehergesetzt werden. Alle diese religiösen Bilder werden 
im Gegensatz zum übrigen Spiele durch unbewegliche Figurengruppen vorgestellt. 
Das Volk fühlt in dieser Unbeweglichkeit in feinsinniger Weise etwas Erhabenes und 
Weihevolles, das um so tiefer in seiner ruhevollen Hoheit wirkt, je lauter und fröhlicher 
sich ringsum die übrigen weltlichen Gruppen bewegen. Es ist ganz dasselbe wie beim 
bäuerlichen Paradeis- und Hirtenspiel, wo sich auch um ein kleines unbewegliches 
Figurenkripperl die lebendigen Spieler bewegen. 
' Rechts und links von diesem Haupt- und Mittelstück sind die Darstellungen des 
bodenständigen Handwerkerlebens und Kleingewerbes angereiht. Es sind zwei Stufen 
übereinander, die in insgesamt 18 Abteilungen ebenso viele Handwerkerstätten auf¬ 
zeigen. Vielleicht ist es kein Zufall, daß zwischen der oberen und der unteren Stufe 
ein leiser Unterschied besteht: unten sind die ans Wasser gebundenen oder doch der 
Stadt etwas abseits gelegenen Werkstätten und oben die mehr ins Getriebe der Stadt 
einbezogenen Handwerke dargestellt. So finden wir unten links: die Knochenstampfe 
(,,den Boanstampf"), den Hammerschmied, den Schleifer, den Zweck- (Nagel-) Schmied 
und den Faßbinder und rechts den Wagner, den Hufschmied, das Bergwerk und die 
,,Schlögler" (Pilotenschlager). Mehr als die Hälfte dieser unteren Gruppe gehört also 
dem Steyrer Eisengewerbe an. Mit der oberen Stufe ist die untere nur durch das 
Mühlrad ganz links verbunden, das vom Wasserschwall, der auch ,,den Boanstampf" 
und den ,,Hammer" treibt, seine Kraft erhält. Wir finden links oben neben dem 
Mühlrad zunächst die Mühle, daneben den Bäcker, dann den Drechsler, weiter den 
Weber und ganz im Mittelgrund den Fleischer und rechts den Schneider, Schuster, 
Tischler und endlich die langgestreckte Seilerwerkstätte. — Alle diese Handwerker¬ 
stätten sind mechanisch beweglich und mit mechanischen Figuren ausgestattet. 
Sie unterscheiden sich dadurch wesentlich einerseits von den unbeweglichen religiösen 
Gruppen und anderseits auch von den von Menschenhand bedienten Puppen des eigent¬ 
lichen szenischen Puppenspieles, das sich räumlich um eine Stufe höher, nämlich oben 
im Stadtbild und teilweise auf der Hinterbühne und zeitlich um eine Stufe später, 
nämlich erst nach den Handwerkerszenen abspielt. Diese dritte und oberste Stufe 
stellt ursprünglich zweifellos abermals die Krippenstadt vor, freilich im Gewände 
des alten Steyr. Schöne Steyrer. Bürgerhäuser, zum Teil von der Vereinigung für 
Heimatschutz in besonders sorgfältigen Modellen erneuert, erfreuen das Auge des 
Beschauers und breiten über das Ganze die tiefe Behaglichkeit des bodenständigen 
Heimattums. Unter den Häusern der Stadt haben im Spiel selbst die drei linken 
vorderen, das Doktorhaus, das Lottoamt und das Bäckerhaus und rechts vorn nament¬ 
lich das Traubenwirtshaus besondere Bedeutung. Wie die Handwerkerstätten, so ist 
auch diese Stadt in eine rechte und eine linke Gruppe geschieden. Zwischen beiden 
breitet sich, von zwei Stadttoren und zwei Laternen gemarkt, die Hauptbühne („Figuren¬ 
bahn" des Grundrisses) für das Puppenspiel aus, die sich allerdings in derselben Ebene 
als ein schmaler Streif („Gassen" des Grundrisses) auch rechts und links vor die Häuser¬ 
gruppen fortzieht. Doch finden hier seitlich mehr die kleinbürgerlichen Szenen statt, 
während sich die großen Aufzüge (Davidszug, Einzug der heiligen drei Könige, Fron-
	        
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