Volltext: Der Freischütz [38]

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wollte Kind niemals wahr haben. Insbesondere glaubte er durch ein 
Vorspiel, in welchem der Eremit und die Rosen exponiert werden, 
allen kritischen Bedenken solcher Art die Berechtigung entzogen zu 
haben. Gegen diesen lauen Anfang, wie überhaupt gegen die Figur 
des Eremiten widersetzte sich am heftigsten Webers Braut Karoline. 
„Weg mit den Eremitenszenen«, schrieb sie, »mitten hinein ins Volks- 
leben, mit dem Beginn der Volksoper, laß sie mit der Szene vor der 
Waldschenke beginnen!« Von ihrem sicheren Bühneninstinkt hat sich 
der Komponist gerne beraten lassen. Sie kannte das Publikum, kannte 
das Theater; Weber nannte sie seine »Volksgallerie mit zwei Augen«! 
Den frommen Wundermann ganz aus dem Spiele zu drängen, gelang 
zwar nicht mehr; aber wenigstens das salbungsvolle Vorwort wurde ihm 
entzogen. Und Weber konnte seiner Braut und Beraterin melden: 
„Weg! weg! schriest Du immer. Nun ist er zwar nicht ganz weg. 
Aber erscheint erst, wo Agathe, vom Schuß scheinbar getroffen, in 
seine Arme sinkt, und versöhnt und heilt das Ganzec... Kind 
dagegen hielt zeitlebens große Stücke auf seinen Eremiten und konnte 
die »Verstümmelung« seines Buches niemals recht verwinden. Als 
sich später seine Freundschaft mit Weber zerschlug — der eitle 
Dichter glaubte, daß von den Ehren und Einnahmen aus dem »Frei- 
schütz« auf seinen Teil viel zu wenig abgefallen sei — versuchte er 
es wenigstens mit einer theoretischen Ehrenrettung des Eremiten. 
Zunächst hieß die Oper. »Der Probeschuß«. Da aber dieser Name 
des »Kindes-Kindes« beiden »Vätern« etwas »altbärtig« vorkam, wurde 
die Oper umgetauft und »Die Jägersbraut« genannt. So hieß sie, bis 
der Berliner Intendant Graf Brühl, die endgültige Festsetzung des 
wirksamen Titels »Der Freischütz« veranlaßte. 
Kaum hatte Weber den ersten Akt des Librettos fertig in den 
Händen, so fühlte er die »Melodien sich zuquellen«. Max Maria von 
Weber, sein Sohn und sein pietätvoller Biograph, schildert ausführlich, 
wie der »Freischütz« Webers geistigem Leben eine neue Form gab. 
»Alle seine Liebe und sein Streben nahmen die Gestalt dieses 
Werkes an.... An die Stelle des vagen Begriffs der Kunst im All- 
gemeinen trat die festumschriebene Idee des »Freischützen«, Was er 
an Idee und Formkraft besaß, das trug er emsig zum Aufbau dieses 
Werkes aus der reichen Welt seines inneren Lebens zusammen. ‚Er 
arbeitete nicht zu Zeiten am Schreibtisch‘ sitzend daran, sondern er 
trug es unter dem Herzen wie die Mutter das Kind; jeder Eindruck
	        
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