Volltext: Der Krieg der versäumten Gelegenheiten

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Ob es möglich war, im April 1918 einen anständigen Frieden ;u be¬ 
kommen, weiß ich nicht, ich glaube es aber. Einen besseren, als den von 
Versailles, sicherlich. Jedenfalls mußten die weiteren Offensiven unterlaffen 
werden. Sie kosteten uns nur furchtbare Verluste an Menschen und Mate¬ 
rial, die wir nicht mehr ersetzen konnten. Auch jetzt war eö noch Zeit, den 
russischen Plänen des Oberbefehlshabers Ost nachzugehen. Ob die Völker 
der Entente die Energie aufgebracht hätten, auf Fortsetzung des Krieges 
zu bestehen, wenn wir im Mai und Juni in Rußland «ine neue Regierung 
schufen, mit ihr ein Bündnis abschloffen, uns im Westen defensiv verhiel¬ 
ten, und unsere Staatsleitung ein Friedensangebot machte, das die Wieder¬ 
herstellung Belgiens sicherstellte und vielleicht einige lothringische Kreise 
opferte, erscheint mir zum mindesten zweifelhaft. 
Die Fortsetzung der Offensive erforderte Maßnahmen, die für den 
Kampfwert und die Moral des Heeres bedenklich waren. Die Inanspruch¬ 
nahme der einzelnen Divisionen wurde unerträglich groß, die Zeitdauer, in 
der die einzelne ohne Ablösung auf der Kampffront in vorderster Linie ver¬ 
bleiben mußte, wurde zu lang, der gute Ersatz ging aus, die Oberste Heeres¬ 
leitung suchte und kratzte die Menschen zusammen, wo sie sie finden konnte 
und stellte sie ein, zahlenmäßig, ohne irgendwelche andere Rücksichten. So 
wurden aus den Ostdivisionen alle Mannschaften der jüngeren Jahrgänge 
herausgenommen und nach dem Westen geschickt. Besonders gebrach eö an 
Ersatz von ausgebildeten Artilleristen, von allen Batterien des Ostens 
wurde jeder nur einigermaßen felddienftfähige Mann herausgeholt. Ich bin 
der Überzeugung, daß gerade das Verpflanzen einzelner Mannschaften von 
den Osttruppenteilen nach dem Westen die verhängnisvollsten Folgen ge¬ 
habt hat. Die bolschewistische Propaganda wirkte unzweifelhaft. Hielt auch 
dir alte Disziplin die Truppenteile als solche zusammen und konnte man 
sich auf den Gesamtverband noch verlassen, so war eö doch leider nicht zu 
verhindern, daß die einzelnen, mißmutig darüber, daß man sie aus ihrem 
Verband gerissen und von der ruhigen Front zu neuen Kämpfen geschickt 
hatte, das Gift der ihnen im Osten bekanntgewordenen bolschewistischen 
Theorien weitertrugen. ES wurden damit Zersetzungselemente in die West¬ 
frontteile hineingetragen, die in den durch die andauernden schweren Kämpfe 
überanstrengten Menschen auf einen zu guten Boden fielen. 
Ebenso wie General Ludendorff sich der Erkenntnis verschloß, daß mit 
der mißglückten Märzoffensive dem deutschen Heere endgültig die Aussicht 
auf den großen Sieg genommen war, so verschloß er sich den drohenden
	        
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