Volltext: Jüdische Herkunft und Literaturwissenschaft

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derts, beginnt dann auch, im Gefolge Börnes und Heines, der große 
Andrang der Juden zur deutschen Literatur. Nicht allein zur Literatur, 
auch zum Theater, wie das Eduard Devrient, der seine Leute kannte, 
in seiner „Geschichte der deutschen Schauspielkunst" im Anschluß an die 
früher gebrachte Äußerung feststellt: „Der Bühnenboden war der Mühe 
wert geworden, darauf sein Glück zu versuchen, und es geschah mit all 
der Begabung, all dem zähen Eifer, der Willenskraft und Betriebsam 
keit, welche diesem Stamme mit gutem Rechte so große Vorteile gewährt. 
Ein bemerkenswerter Umstand ist dabei auch, daß nur diejenigen Mit 
glieder jüdischer Abkunft bei der Bühne bleiben, welche lohnende Aus 
zeichnung gewinnen, dagegen diejenigen, welche wahrnehmen, daß sie nur 
Aussicht auf Verbleiben in untergeordneter Stellung haben, die Laufbahn 
bald wieder aufgeben. Aus unvertilgbarer Begeisterung am Theater oder 
unverbesserlichem Hange zu seinem bunten Leben und dessen zulässiger 
Bummelei — wodurch so mancher begabte Mensch kümmerlich dabei 
festgehalten wird — bleibt kein Jude bei der Bühne." Mutatis mutan- 
dis gilt das natürlich auch für die Literatur, nur daß das Pressewesen 
den Juden natürlich noch leichtere Existenz- und Gewinnmöglichkeiten 
schafft. Mehr noch Juden alten Stils sind Emanuel Wessely (aus 
Berlin, 1773—1824), der in Hamburg und Altona lebte und seines 
Vaters Hartwig Wessely „Mosaide" ins Deutsche übertrug, und Jo 
hann August Günther Heinroth (aus Nordhausen, 1780—1846), 
der Lehrer an dem bekannten Jacobsohnschen jüdischen Institute zu 
Seesen am Harz war und 1813 das satirische Gedicht „Die Schicksale 
Napoleons des Großen" schrieb. Durch Heines Spott in den „Florcn- 
tinischen Nächten" bekannt geblieben ist der Komödien- und Anekdoten 
schreiber Georg Harrys (aus Hannover, 1780—1838), Begleiter Pa- 
ganinis, dann Herausgeber der „Posaune", doch schon ein typischer Preß- 
jude. Als Obadja ben Amos gab der Altonaer Arzt Salomo Levy (Lud 
wig) Steinheim (aus Bruchhausen in Westfalen, 1789—1866) die 
Gesänge „Sinai" und „Gesänge aus der Verbannung", in denen er 
„dem Schmerze über die Zurücksetzung seiner Glaubensgenossen dich 
terischen Ausdruck verlieh". Gutzkow und Hebbel kannten ihn. Später 
lebte er zwanzig Jahre in Rom und starb in Zürich. — Leider muß hier 
auch der berühmte Übersetzer Wolf Graf Baudissin (aus Ranzau in Hol 
stein, 1789—1878) erwähnt werden, da er die Dresdner Jüdin Sophie
	        
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