Volltext: Jüdische Herkunft und Literaturwissenschaft

Unrecht für einen Juden hält man vielfach den bekannten fruchtbaren 
Dramatiker Ernst Benjamin Salomo Raupach (aus Straupitz bei Lieg 
nitz, 1784—1852), wohl wegen seiner biblischen Vornamen und seiner 
Theatergeschicklichkeit, aber er war keiner, ob auch Platen im „Roman 
tischen Oedipus" von ihm als dem „Jüdchen Raupet" spricht. Sein 
Vater war evangelischer Pastor, und ich nehme an, daß der aus Tendern 
in Schleswig gebürtige Hamburger Pastor Bernhard Raupach (1682 
bis 1745) einer seiner Vorfahren ist. Gewiß, evangelische Pastoren jü 
discher Herkunft gibt es, aber doch schleswigschen Ursprungs kaum, zu 
mal zu Raupachs Zeit sämtliche Juden im Schleswigschen noch gehalten 
waren, zu Friedrichstadt in einem besonderen Judenviertel zu wohnen. 
Nicht im Semikürschner steht der Berliner Karl Blum (1786—1844), 
Regisseur an der Kgl. Oper, dann Direktor des Königstädtischen Thea 
ters, der das französische Vaudeville in Deutschland einführte, überhaupt 
alle möglichen Sachen für die deutsche Bühne bearbeitete. Er soll Sohn 
eines Beamten gewesen sein. Sein Geburtstagsdatum steht nicht fest. 
Möglicherweise war er doch Jude. Als jüdisch verheiratet, mit einer 
Schwester Felix Mendelssohns, ist hier der Maler Wilhelm Hensel (aus 
Trebbin, 1784—1861), der auch dichterisch tätige Bruder der religiösen 
Dichterin Luise Hensel, zu nennen. 
2. 
Mit Ludwig Börne und Heinrich Heine, die wir beide zum Jun 
gen Deutschland im weiteren Sinne rechnen, tretm dann die großen 
jüdischen Namen in der deutschen Literatur aus. Ich habe über sie ja 
schon allerlei Ausführungen aus deutschen Literaturgeschichten gebracht 
und will mich hier deshalb kurz fassen. Börne ist heute, wie selbst 
R. M. Meyer zugibt, gründlich veraltet, aber es muß doch noch im An 
schluß an Treitschke ein größeres Werk über ihn geschrieben werden, da 
selbst ein Richard Wagner auf ihn hineingefallen ist. Für den einsichtigen 
Deutschen genügt es, wie ich in meiner Schrift „Der völkische Gedanke" 
bemerkt habe, „Menzel der Franzosenfresser" von ihm zu lesen, um zu 
erkennen, daß er ganz in seinem Judentum stecken geblieben ist. „Ich 
liebe Deutschland mehr als Frankreich", zitiert er dort selbst aus seiner 
„Balance“, „weil es unglücklich ist, und Frankreich nicht; im übrigen 
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