Volltext: Jüdische Herkunft und Literaturwissenschaft

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scheinen. Alles andere bleibt ganz hypothetisch, der Name der Mutter 
Laroches ist im Kirchenbuch als ,Anna Katharina' ohne Familiennamen 
von späterer Hand hinzugefügt, was vielleicht ein Täuschungsversuch ist." 
Geiger persönlich antwortete ich: „Was nun den von Geiger mit so großem 
Behagen ausgeschlachteten Fall Brentano anlangt, so brauche ich ja kaum 
zu sagen, daß es sich hier bei mir nur um als solche hingestellte Ver 
mutungen handelt, für die absolut keine Wissenschaftlichkeit beansprucht 
wird. Es ist unwahr, daß ich die beiden Brentanos aus Abneigung zu 
Juden stemple, ich stelle nur, wie in meiner Literaturgeschichte, die 
Vermutung auf, daß „in den Brentanos ein Tropfen jüdischen Blu 
tes mthalten sein könne," und bemerke dazu ausdrücklich, daß „die bei 
den Brentanos immer als hochbedeutsame Erscheinungen deutscher Lite 
ratur und nie als Literaturjuden werden betrachtet werden" — ein biß 
chen Ehrlichkeit, Herr Professor Geiger, kann niemals schaden. Natür 
lich brachte ich den jüdischen Blutstropfen nur, um die merkwürdige 
literarische Physiognomie der Brentanos zu erklären, und hatte immer 
hin einige Veranlassung ihn zu bringen, da bekanntlich keine Geringere 
als Karoline Schlegel durch Bettinas Erscheinung an die kleinen Ber 
liner Judenmädchen erinnert wurde. Auch hat Ricarda Huch, eine der 
besten Kennerinnen der Romantik, wohl von mir unbeeinflußt, den 
jüdischen Blutzusatz bei den Brentanos angenommen. Daß ich, um ihn 
wahrscheinlich zu machen, zunächst auf die Laroche-Fährte kam, erklärt 
sich, von Betttnas Täuschungsversuch abgesehen, daraus, daß die un 
eheliche Herkunft des Laroche früher nicht allgemein angenommen wurde 
und Name und Heimat immerhin auf jüdischen Ursprung deuteten. So 
weit ich mich entsinne, hatte ich meine Kenntnisse über Laroche aus der 
Einleitung zu Pröhles Wieland-Ausgabe bei Kürschner geschöpft... 
Möglicherweise ist die angebliche Französin Laroche, die sich, nachdem sie 
sich mit einem Grafen abgegeben, an einen Chirurgen verheiraten läßt, 
eine Jüdin gewesen; möglicherweise kommt das Judenblut der Bren 
tanos auch von der Großmutter her, die eine Gutermann (aus angeb 
lich Augsburgischer Patrizierfamilie freilich) war^; möglicherweise 
stimmt die Vermutung, daß die Brentanos italienische Juden waren — 
der überlieferte Charakter des Mannes der Maximiliane Laroche („Er 
1 Die Annahme wurde mir dann als unmöglich bestritten, da genaue Nach 
weise über diese Familie vorhanden wären.
	        
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