De Arbetterschaf?
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Da aber die Verhältnisse zwischen Arbeiter und Unternehmer in allen
Ländern einander ähnlisch schienen, entstand daraus die weitere Lehre,
die Arbeiter der ganzen Welt hätten gegenüber der Unternehmerschafst
diesel ben Interessen. Daher stammt der sozialdemokratische Kampf—
ruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch“, denn nur dadurch
werdet ihr die Macht erlangen, die bestehende Gesellschaftsordnung
umzustürzen und euch aus Arbeitern auch zugleich zu Unternehmern
machen, d. h. die wahre Freiheit finden und euern Anteil am Volks—
einkommen selbst besfimmen.
Dieser international gerichtete Zug der Sozialdemokratie schien be—
merkenswerterweise am stärksten in Deutschland ausgeprägt zu sein.
Der englische Arbeiter ist zuerst Engländer und dann vielleicht — ich
betone: vielleicht — in zweiter Linie Internationalist. Denn der Krieg
hat gezeigt, daß die von deutschen Arbeitern und Arbeiterführern als
wahrhaft bestehend hingenommene „Interessensolidarität der inter—
nationalen Arbeiterschaft' nichts anderes ist als ein Wahngebilde, das
mit Kriegsausbruch zerstob. Trotzdem bangte, als der Krieg unver—
meidbar wurde, manches deutsche Herz, ob sich die so lebhaft inter⸗
nationalen Ideen huldigende Arbeiterschaft auch voll und ganz für die
Verteidigung des deutschen Vaterlandes einsetzen werde. Sie konnte
nicht anders handeln, denn unser Arbeiter ist im Grunde seines
Herzens und mit ganzer Seele deutsch, ebenso gut deutsch, wie irgend—
ein anderer Angehöriger unseres Volkes. Er hat sich nicht geändert
und brauchte sich nicht zu ändern in seinem Wesen. Aber mancher
Arbeiterführer und gewisse Arbeiterzeitungen — denn viele Arbeiter—
führer und verschiedene Richtungen der Arbeiterverbände und -presse
haben die internationalen Bestrebungen schon im Frieden weit von sich
gewiesen — mußten der durch den Krieg neu geschaffenen Lage der
Dinge Rechnung tragen, sonst wären sie in jenen heißen Augusttagen
1914, wo die Wogen der Begeisterung und des Hasses gegen den
Feind so urmächtig emporlohten, gesteinigt worden. O, wie gut tat
das Bewußtsein, für ein Vaterland zu streiten, das endlich einmal
wieder einig war. Keine Kluft mehr zwischen den Ständen und
Parteien, Burgfriede überaln.
Die mit Schlagworten arbeitende sozialdemokratische Stimmungs—
mache in der Arbeiterschaft hat merkwürdigerweise fast ebensoviel Ein—
druck auf die, Gebildeten“ Deutschlands gemacht wie auf den einfachen
Mann, denn sonst könnte man sich nicht vorstellen, wie Offiziere, aus
dem Schützengraben gekommen, so häufig im Ton der Verwunderung
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