Deutsche Werksanlagen —
Ungetüm seinen heißen Trunk genommen hat. Schon kommt eine
Lokomotive und bringt ein großes, fast bis zum Rand mit flüssigem
Roheisen gefülltes Gefäß, das, von den Riesenfäusten eines über uns
laufenden Krans gepackt, im Nu in den gierigen Feuerrachen gegossen
wird. Wie nun der Konverter sich prustend aufrichtet, kommt Leben
in; seinen Leib. Das Ungeheuer schickt seinen Feuerhauch gen Himmel.
In blendend weißer Flamme ergießt sich ein Funkenregen und ein Strom
von Schlackenteilchen und Eisenkörnern über das ganze Gebäude, ein
bräunlichgelber Qualm wallt auf. Ein im Konverter entstehendes
gurgelndes Geräusch wächst an zum donnernden Getöse. So erhält
das Eisen in neuer Höllenglut seine Feuertaufe. Während im Hoch—
ofen Stunde um Stunde vergeht, bis das Eisen zum Abstich fertig ist,
geschieht die Läuterung des Eisens zu Stahl in weniger als einer
Viertelstunde. In dieser Zeitspanne werden solche Mengen von Stahl
bereitet, für die man früher bei der alten handwerksmäßigen Betriebs—
weise in Deutschland wochenlanger emsiger Arbeit bedurfte. Hat der
Bulkan ausgetobt, so beugt das Ungetüm sein flammengekröntes Haupt
von neuem vor seinem Herrn und Meister und gibt willig wieder, was
es in seinem Innern kochen und schmoren ließ. Wieder packen Riesen—
fäuste die Pfanne und halten sie dem Thomaskomverter unter die
Schnauze. Der Stahl fließt aus und erfüllt die ganze Halle erneut
mit blendend weißem Licht und starker Hitze. Die Pfanne aber nimmt
den Stahl auf und fährt auf einer kleinen Lokomotive davon, um seinen
wertvollen Inhalt in eiserne Formen, die sogenannten Kokillen, zu
verteilen und daraus Walzblöcke formen zu lassen. Ein zweites Gefäß
aber nimmt vom Koͤnverter die feurige Schlacke auf, die erheblich wert—
voller ist, als die im Hochofen entstehende, denn die im Thomasbetrieb
gewonnene Schlacke enthält neben Kalk auch Phosphorsäure und ist im
gemahlenen Zustand, nämlich als Thomasmehl, eins der begehrtesten
und wertvollsten Düngemittel für unsere Landwirtschaft. Der Hütten—
chemiker sagt, das Thomasstahlwerk dient dazu, aus dem Roheisen
neben dem UÜUbermaß an Silizium und Kohlenstoff den Phosphor
auszuscheiden, um auf diese Weise das Eisen schmiedbar zu machen.
Neben dem Thomasstahlwerk, das nur glühendflüssiges Eisen“ ver—
arbeiten kann, hat das Siemens-Martinverfahren für die Her—
stellung von Stahl eine große Bedeutung erlangt, ein Verfahren, das
hauptsächlich dazu dient, aus Alteisen sowie Eisen- und Stahlabfällen
Stahl herzustellen. Hierbei wird Roheisen nur in kleinen Mengen zu—
gegeben. Allmählich hat sich auch die Möglichkeit herausgebildet, aus
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