Volltext: Enrica Handel-Mazzetti 60

Selbstbehertschung und Nächstenliebe, die den Idealen der Antike und des Urchristen— 
tums in gleicher Weile gerecht wird, ja lie wird aus höchster Menschlickkeit am Ende 
dieses zweiten Bandes sogar katholisch. I 
Maria von Bronnen ist eine Rämpferin, aber keine wie manche der früheren Frauen- 
geltalten Handel-Maæzzettis, von blutigen Ausbrüchen gewalttätiger Ceidenschaften um— 
vwitterte Amazone des Wortes oder der Tat, lie kämpft alles still verborgen in ihrer 
Seele aus als die echte, die wahre, die einzige Frau, als Engel der nade und Liebe. 
Was hat lie alles um sich und gegen lich: Die kalt rechnende Pröpstin, die herrschgewaltige 
adelsstolze Abtissin, die immer noch ihre Liebesabenteuer nicht vergessende Aurora von 
Rönigsmark, die böle Intrigantin Amilia, die lich am liebsten dem alten Rönig an den 
Hals werfen möchte; und wer bleibt ihr am Ende, als lie das größte Opfer ihres Cebens 
vollbracht hat, auf Stand und Ansehen, äußere Ruhe und licheres Auskommen, ja selbst 
auf die Auslicht der Quedlinburger Thronfolge verzichtend, in HNot und älend nieder- 
steigt zu dem todeswürdigen Schwerverbrecher, um delsen Frau zu werden, indem lie 
so nach altem Recht ihn von der Blutschuld befreit .. .. 
Zwar lauern immer noch im Hintergrund Rad und algen, wetzt der Scharfrichter sein 
grauliges Schwert, hört man von der vergangenen Martergeschichte des schlesischen 
Hichters Günther, der einst der kindlichen Maria von Bronnen Hauslehrer und Abgott 
gewelen ist, und jetzt in dem landfahrenden Buchhändler und Verbreiter seines Ruhmes, 
eben jenem wüsten Mordbuben noch einmal ihrem Herzen nahetritt, zwar zucken und 
zünden immer noch bald fern, bald nah erschreckliche⸗Blitze, von rasendem Donner 
gefolgt, aber die grellen Effekte aus den Tagen der egenreformation und ihre gräh—⸗ 
lichen Begleiterlcheinungen haben hier in der rein lutherischen Vaterstaut Rlopstocks, 
dessen Hame gleichfalls aufklingt, kein Gastrecht mehr. M 
Handel-Mazzetti hat endgũltig gewahlt. Nach langem Schvanken, wohin lie in der 
Citeraturgeschichte treten wolle, zur Norddeutschen Droste-⸗Hülshoff, der ihr in mancher 
NHinlicht innerlich vervandten vermännlichten Sängerin der „Schlacht im Coener Bruch“, 
der Schöpferin des furchtbar düsteren Stimmungsbildes „Die Judenbuche“, oder zur 
gemütvollen Osterreicherin Ebner-Elchenbach, ihrer mũtterlichen Freundin, der Dichterin 
der reinen Menschengüte. Handel-Maæzetti entdeckt in „Frau Naria“ ihr eigenstes Ich, 
Jas Frauenhafte der Frau, die Frau in ihrer Reinkultur. Und das ist der Ruhmestitel 
Nres neuen Werkes, das keine Erstarrung oder Abwärtsentiicklung bedeutet, sondern 
neuen Aufstieg zu neuen Höhen. 
Der Ratholizismus Frau Narias ist von ganz eigener Art. Nicht der süßliche, abgestandene 
Duft parfümierter Frömmigkeit, wie ihnn manchmal die Mädchen aus franzölsischen oder 
wenigstens franzölisch parlierenden aristokratishhen Pensionaten heimbringen und lebens⸗ 
lang lieben, umwent lie, sondern die krische, freie Berg- und Waldluft des benachbarten
	        
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