Volltext: Enrica Handel-Mazzetti 60

Hanoddel⸗Mazzettis Nachsommer. 
Tin Nachwort zu ihrem oo. Geburtstas. 
Lon Dr. Wilhelm srosch, Professor an der Universität in Nymwegen, Holland. 
ãemeinhin pflegt man zu sagen, wenn eine dichterische Persönlichkeit das sechste Jahr⸗ 
zehnt ihres Cebens vollendet habe, die Motive wiederholen lich, der Stil werde maniriert, 
die Technik brüchig und schoach, kure, die käünstlerische Arterienverkalkung trete 
lichtlich in Erscheinung. Der Voruwurf trifft in den meisten kFällen zu. Selbst 
bei dem jugendfeurigen Goethe bemerkt man um diele Zeit eine gewisse Wandlung, 
der Gelehrte in inm überwvindet immer mehr den Dichter. Der Schöpfer von 
„Werthers Ceiden“ schreibt jetzt die langatmigen „Wanhlverwandtschaften“ und 
die „Farbenlehre“*. Der sechzigjährige Wilhelm Raabe verrät keine Spur der 
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wünhlt gerade in der „Bunten Beute“ seines Cebens, wahrend der im Befreiungsjahre 
1813 geborene Wilhelm Weber erst 1874 darangeht, die ersten unendlich quellfrischen 
von„Dreizehnlinden“ zu Papier zu bringen und damit leinen Dichterruhm zu begründen. 
zu diesen von der Natur begnadeten, keinen Herbst erfahrenden Poetengestalten gehört 
offenbar auch unsere Handel-Naæzetti, die uns eben ein ausgereiftes Werk ihrer meister- 
lichen Runst voll Anmut und jugendfrische shenkt: „Frau Maria“ (München, J. Rölel 
und Fr. Pustet). Und wenn der dritte noch ausstehende Band der Roman-Trilogie, 
woran nicht zu zweifeln ist, die Höhe der beiden andern nicht verläßt, dürfen wir in ihr 
überhaupt die Gipfelleistung ihres bisherigen CLebenswerkes erblicken. Hier wandelt lsie 
geradezu auf neuen Bahnen. 
Die Handlung spielt im Zeitalter des galanten Königs August von Polen, Rurfürsten 
von Sachsen. Aber wer da glaubt, einen tollen Ciebesroman vor lich zu haben, irrt. 
Der amoureule Held ist eigentlich bloh eine Episodenfigur, um der barocken Zeit und 
lhrem tieferen Wesenswiderstreit, lowie vor allem der unbedingten Reinheit des adeligen 
ztiftsfräuleins Maria von Bronnen die nötige kFolie zu geben. Auch der UVagant aus 
echlelien, lein mãnnlicher Antipode, der gewilslermahen als Vollstrecker der unerbitt— 
iichen Gerechtigkeit die gestrenge, kluge lutherisch-fromme Abtillin des Damenltiftes 
Quedlinburg, Maria Elisabeth, Herzogin von Holstein, Regentin der im Schatten der 
alölterlichen Burg gelagerten altsächlischen Stadt, wegen vermeintlicher Ruppelei einfach 
niederschießen will, dabei jedoch nicht jene, sondern die von der Cust des Rönigs bedroht 
gewesene andere NMaria trifft und verwundet, ist nicht um leiner selbst willen mit einer 
Heldenrolle bedacht. Er gibt vielmehr ebenso wie der Rönig der Titelfigur des Romans 
ãelegenheit, ihre ursprüngliche Seelengröße zu einem in leiner Art unvergleichlichen 
deroismus zu steigern. Das arme, schüchtern-belscheidene Fräulein des ersten Bandes 
blüht im zieiten zur Frau auf, erhebt lich in wunderbarer Reife und Reinheit über 
alle ihre Mitschwestern, die große Landesmutter mit eingeschloslen. und entwickelt eine 
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