Volltext: Serbien und der Weltkrieg (Band III 1931)

und das isolierte Bulgarien auf der anderen Seite, immer deutlicher 
hervortrat. 
In diesem Zusammenhänge zeigt sich uns gerade auf Grund der 
österreichischen Akten das widerliche Bild, wie sich die Bundesgenossen 
gegenseitig verächtlich machten und beschimpften, wobei in dieser Be¬ 
ziehung Bulgarien mit unrühmlichem Beispiel voranging1). Jetzt erst 
gingen die Voraussage Herrn von Kiderlens und die Vermutung des 
Grafen Berchtold, auf die ihre politischen Kalküls fälschlich bereits 
zu Beginn des Krieges teilweise eingestellt waren, der Verwirklichung 
entgegen. Am ausführlichsten werden wir über die sachlichen Gründe 
des Konfliktes unter den Bundesgenossen durch die bereits erwähnte 
Weisung Paschitschs an den serbischen Gesandten in Sofia aufgeklärt* 2). 
Im Rahmen dieser Darstellung genügt es, auf die im ersten, zweiten 
und im Anhänge dieses Bandes einschlägigen Schriftstücke hinzuweisen. 
Auch sind aus denselben die krampfhaften Bemühungen Rußlands, den 
für die russische Politik so unvorhergesehenen und verhängnisvollen 
Zwiespalt unter den Bundesgenossen zu verkleistern und zu über¬ 
brücken, zu ersehen, woraus sich wieder zeigt, daß bei dem gro߬ 
angelegten russischen Plane Österreich-Ungarn der Hauptgegenstand 
der ganzen Kombination gewesen ist3). Selbst das Eingreifen des 
Zaren in letzter Stunde, um den Zusammenstoß der Bundesgenossen 
zu vermeiden, hatte keinen Erfolg4). Es kam doch zum Kriege, zur 
wort desselben mitteilt: „Herr Majorescu stiinmte meinen Ausführungen voll¬ 
kommen bei und bemerkte, das von mir Gesagte sei ihm bekannt; es gebe mehrere 
jüngere Gesandte, die, uneingeweiht in die wahre Politik Rumäniens, ihre eigenen 
Wege gingen (sic!), darunter sei auch Diamandi in Rom. Bisher habe man aber, 
lieber, als sie aufzuklären (sic!), es vorgezogen, dieselben ,im trüben Wasser 
schwimmen zu lassen4. Vielleicht, schloß der Minister seine Ausführungen, sei der 
Augenblick nicht mehr ferne, an dem der König werde den Befehl geben können, 
jeden Zweifel ausschließende Instruktionen zu erlassen. Diesen letzten Aus¬ 
spruch des Herrn Ministers des Äußeren gestatte ich mir besonders hervorzuheben, 
da es zum ersten Male geschah, daß ein rumänischer Staatsmann sich mir gegen¬ 
über in einem derartigen Sinne äußerte.44 Eine solche Weisung des Königs ist, 
soweit bis jetzt bekannt, nicht erfolgt. 
*) Ost. Dok., Bd. IV, Nr. 4397, 4430, 4486, 4507, 4602; Bd. V, Nr. 5868 (Un¬ 
günstiges über Kronprinz Alexander), 5895, S. 789, 6021, 6113, 6114, 6138, 6211, 
6271, 6303 u. a. m. 
2) Serb. Akt., Bd. I, Nr. 278. Vgl. ferner das Telegramm König Peters an 
Kaiser Nikolaus von Rußland vom 11. Juni 1913, Serb. Akt., Bd. I, Nr. 310. 
3) Zur Begründung dieser Behauptung sei namentlich auf den Privatbrief Saso- 
nows an Hartwig vom 6. Mai 1913 hingewiesen, Serb. Akt., Bd. II, Nr. 807, und 
auf seine an den serbischen Spezialdelegierten in Petersburg, Gentschitsch, gerich¬ 
teten Worte: „Mir liegt so sehr an der Erhaltung der Einigkeit zwischen euch und 
den Bulgaren, daß ich beiden große Opfer bringen will; den Bulgaren gegenüber 
bin ich Serbe und den Serben gegenüber bin ich Bulgare.44 
4) Serb. Akt., Bd. II, Nr. 813, 814, 820, 821. Die Haltung Frankreichs im 
serbisch-bulgarischen Streite war von denselben Erwägungen wie diejenige Ru߬ 
lands diktiert — siehe „Kriegsursachen44, S. 61, Anm. 3 —, und seine Sympathien 
haben sich genau so wie während des ersten Balkankrieges, wo der serbische 
Kronprinz zum französischen Konsul in Uesküb sagen konnte, daß Frankreich 
für Serbien fast mehr getan habe als Rußland, was Serbien nie vergessen werde 
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