Volltext: Serbien und der Weltkrieg (Band III 1931)

zu suchen, sondern der Hauptgrund war vielmehr, daß durch die auf 
Initiative Österreichs gestellten Forderungen der Mächte an Serbien 
die Hauptbestimmungen des serbisch-bulgarischen Bündnisvertrages, 
die sich auf die Verteilung der zu erobernden und tatsächlich erober¬ 
ten Gebiete bezogen, über den Haufen geworfen wurden1) und daß 
man in Belgrad darin die Keime der drohenden und später auch tat¬ 
sächlich eingetretenen kriegerischen Auseinandersetzung mit Bulgarien 
erblickte. Weit vorausschauend sagte bereits am 12. November der 
griechische Minister des Äußern, Coromilas, zum österreichischen Ge¬ 
sandten, „daß Österreich-Ungarn einen ,sehr feinen Coup6 ausgeführt, 
indem es Serbien am Zugang zur Adria unter dem Vorwände verhin¬ 
dern wolle, daß Albanien dadurch zu Schaden käme662), was nur in¬ 
sofern nicht richtig war, als die österreichisch-ungarische Regierung 
damals, als sie ihre Stellungnahme zum Balkankonflikte präzisierte* 3), 
von dem Teilungsplane der Balkanstaaten noch keine Ahnung hatte. 
Darum und nur darum ließen sowohl die griechische wie die bulgarische 
Regierung die Kabinette der Großmächte wissen, daß sie die serbischen 
Forderungen nach einem Ausgange zum Adriatischen Meere und 
auf albanisches Gebiet „jusqu’au bout66 unterstützen würden4). Die 
russische Regierung hat ihrerseits gegen die Forderungen Österreichs, 
daß Serbien in territorialer Beziehung nicht an das Adriatische Meer 
gelange und sich nicht albanisches Gebiet einverleibe, als formalen 
Einwand angeführt, daß ihr Ziel die möglichste Sicherung der politi¬ 
schen und der ökonomischen Unabhängigkeit Serbiens5) — als ob die¬ 
selbe durch die Forderungen Österreichs bedroht gewesen wäre — be¬ 
zeichnet. In Wirklichkeit -hat sie sich nur deswegen gegen die Ab¬ 
haltung Serbiens von der adriatischen Küste und die Schaffung eines 
kräftigen albanischen Staates so gewehrt, weil sie darin ein ernstes 
Hindernis für die in kürzester Zeit zu erwartende Vereinigung Ser¬ 
biens und Montenegros erblickte6) und befürchten mußte, daß diese 
Eindämmung der serbischen Expansion nach dem Westen schädliche 
Rückwirkungen auf die bereits verabredete Verteilung der eroberten 
*) Serb. Akt., Bd. I, Nr. 278: Weisung Paschitschs an Spalaikowitsch in Sofia 
vom 22. Februar 1913. 
2) Ost. Dok., Bd. IV, Nr. 4379: Bericht des österreichischen Gesandten aus 
Athen vom 12. November 1912: An einer anderen Stelle im gleichen Berichte ist 
folgende weitere Äußerung des Ministers wiedergegeben: „Ein anderer, ebenso 
feiner Coup unsererseits bestehe in dem Angebot Salonikis an Serbien an Stelle 
eines Hafens am Adriatischen Meer. Griechenland werde aber Saloniki nicht mehr 
herausgeben.“ 
3) Serb. Akt., Bd. II, Nr. 673, 685 und 733. 
4) Serb. Akt., Bd. I, Nr. 210, 213; Serb. Akt., Bd. II, Nr. 691, 697; Öst. Dok., 
Bd. IV, Nr. 4656, 4666. 
5) Serb. Akt., Bd. II, Nr. 692, 729, 742. Ebenso Poincare: Serb. Akt., Bd. II 
Nr. 744. 
6) Serb. Akt., Bd. I, Nr. 253. 
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