Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 967. 
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Sofia.x) 
Petersburg, den 12./25. Juli 1914. 
Jetzt habe ich Sasonow gesehen, der von der Unerwartetheit der öster¬ 
reichischen Geste betroffen ist. Er glaubt, es werde ihm gelingen, die 
Frist des österreichischen Ultimatums zu verlängern und Zeit zu ge¬ 
winnen, um sich mit seiner Vermittlung einzumischen; wenn aber Öster¬ 
reich unversöhnlich bleibe, dann, sagte er, werden wir Serbien nicht 
vernichten lassen. Uns rät er, Neutralität zu bewahren. Er habe Nach¬ 
richt, daß wir uns mit den Türken verabredet hätten; er sagte mir, wir 
sollten uns hüten, denn man werde uns übervorteilen. Ich traf Iswolski 
bei ihm, der meint, daß der Krieg unvermeidlich ist, wenn auch von 
Rußland nicht gewünscht. Heute abend fährt er nach Paris zurück. 
Buchanan sagte mir: Der Krieg ist beinahe unvermeidlich, aber ihr 
Bulgaren seht zu, daß ihr eure Kräfte bewahrt, damit ihr nicht die 
Rolle spielt, die Rumänien vergangenes Jahr gespielt hat. Paleologue 
sagte mir, ganz Frankreich sei empört über das Benehmen Österreichs, 
und der Krieg werde wahrscheinlich mit einer Arbitrage ausgehen; wenn 
das aber nicht geschehe, dann werde Frankreich Rußland mit allen seinen 
Kräften unterstützen. Hier finden beständige Sitzungen des Minister¬ 
rates statt, und man erwartet wichtige Entscheidungen. 
Dimitrieff. 
Nr. 968. 
Graf Berchtold an Graf Szapary in St. Petersburg.1 2) 
Wien, den 25. Juli 1914. 
In dem Augenblick, wo wir uns zu einem ernsten Vorgehen gegen Ser¬ 
bien entschlossen haben, sind wir uns natürlich auch der Möglichkeit 
eines sich aus der serbischen Differenz entwickelnden Zusammenstoßes 
mit Rußland bewußt gewesen. Wir konnten uns aber durch diese Even¬ 
tualität nicht in unserer Stellungnahme gegenüber Serbien beirren las¬ 
sen, weil grundlegende staatspolitische Konsiderationen uns vor die 
Notwendigkeit stellten, der Situation ein Ende zu machen, daß ein 
russischer Freibrief Serbien die dauernde, ungestrafte 
und unstrafbare Bedrohung der Monarchie ermögliche. 
1) Bulgarisches Orangebuch Bd. I Nr. 210. 
2) Österreichisches Rotbuch 1914, Nr. 26, S. 74* 
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