Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

doch bereits ein Ultimatum erlassen hätten. Dies beweise am besten, daß 
wir eine unparteiische Prüfung des Falles gar nicht anstreben. Ich 
sagte ihm, daß für unser Vorgehen, in dieser zwischen Österreich-Ungarn 
und Serbien spielenden Angelegenheit die durch unsere eigene Unter¬ 
suchung erzielten Resultate genügen und wir nur bereit seien, den Mäch¬ 
ten weitere Aufschlüsse, falls dieselben sie interessieren, zu geben, weil 
wir nichts zu verheimlichen hätten. 
Herr Sasonow meinte, jetzt nach dem Ultimatum sei er eigentlich 
gar nicht neugierig. Er stellte die Sache so dar, als ob es uns darauf 
ankomme, unbedingt mit Serbien Krieg zu führen. Ich erwiderte, wir 
seien die friedliebendste Ma,cht der Welt, was wir wollten, sei nur 
Sicherung unseres Territoriums vor fremden revolutionären Umtrieben 
und unsere Dynastie vor Bomben. 
Im Verlaufe der weiteren Erörterungen ließ Herr Sasonow nochmals 
die Bemerkung fallen, daß wir jedenfalls eine ernste Situation geschaf¬ 
fen hätten. 
Trotz der relativen Ruhe des Herrn Ministers war seine Stellungnahme 
eine durchaus ablehnende und gegnerische. 
Nr. g63. 
Mitteilung des deutschen Botschafters, 
vom 24. Juli 19141). 
Die Veröffentlichungen der österreichisch-ungarischen Regierung über 
die Umstände, unter denen das Attentat auf den österreichischen Thron¬ 
folger und seine Gemahlin stattgefunden hat, enthüllen offen die Ziele, 
die sich die großserbische Propaganda gesetzt hat, und die Mittel, deren 
sie sich zur Verwirklichung derselben bedient. Auch müssen durch die 
bekanntgegebenen Tatsachen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß 
das Aktionszentrum der Bestrebungen, die auf Loslösung der südslawi¬ 
schen Provinzen von der österreichisch-ungarischen Monarchie und deren 
Vereinigung mit dem serbischen Königreich hinauslaufen, in Belgrad 
zu suchen ist, und dort zum mindesten mit der Konnivenz von Ange¬ 
hörigen der Regierung und Armee seine Tätigkeit entfaltet. 
Die serbischen Treibereien gehen auf eine lange Reihe von Jahren 
zurück. In besonders markanter Form trat der großserbische Chauvinis¬ 
mus während der bosnischen Krisis in die Erscheinung. Nur der weit¬ 
gehenden Selbstbeherrschung und Mäßigung der österreichisch-ungari¬ 
schen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war 
es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in 
dieser Zeit von seiten Serbiens ausgesetzt war, nicht zum Konflikt führ¬ 
x) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 100, S. i32. 
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