doch bereits ein Ultimatum erlassen hätten. Dies beweise am besten, daß
wir eine unparteiische Prüfung des Falles gar nicht anstreben. Ich
sagte ihm, daß für unser Vorgehen, in dieser zwischen Österreich-Ungarn
und Serbien spielenden Angelegenheit die durch unsere eigene Unter¬
suchung erzielten Resultate genügen und wir nur bereit seien, den Mäch¬
ten weitere Aufschlüsse, falls dieselben sie interessieren, zu geben, weil
wir nichts zu verheimlichen hätten.
Herr Sasonow meinte, jetzt nach dem Ultimatum sei er eigentlich
gar nicht neugierig. Er stellte die Sache so dar, als ob es uns darauf
ankomme, unbedingt mit Serbien Krieg zu führen. Ich erwiderte, wir
seien die friedliebendste Ma,cht der Welt, was wir wollten, sei nur
Sicherung unseres Territoriums vor fremden revolutionären Umtrieben
und unsere Dynastie vor Bomben.
Im Verlaufe der weiteren Erörterungen ließ Herr Sasonow nochmals
die Bemerkung fallen, daß wir jedenfalls eine ernste Situation geschaf¬
fen hätten.
Trotz der relativen Ruhe des Herrn Ministers war seine Stellungnahme
eine durchaus ablehnende und gegnerische.
Nr. g63.
Mitteilung des deutschen Botschafters,
vom 24. Juli 19141).
Die Veröffentlichungen der österreichisch-ungarischen Regierung über
die Umstände, unter denen das Attentat auf den österreichischen Thron¬
folger und seine Gemahlin stattgefunden hat, enthüllen offen die Ziele,
die sich die großserbische Propaganda gesetzt hat, und die Mittel, deren
sie sich zur Verwirklichung derselben bedient. Auch müssen durch die
bekanntgegebenen Tatsachen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß
das Aktionszentrum der Bestrebungen, die auf Loslösung der südslawi¬
schen Provinzen von der österreichisch-ungarischen Monarchie und deren
Vereinigung mit dem serbischen Königreich hinauslaufen, in Belgrad
zu suchen ist, und dort zum mindesten mit der Konnivenz von Ange¬
hörigen der Regierung und Armee seine Tätigkeit entfaltet.
Die serbischen Treibereien gehen auf eine lange Reihe von Jahren
zurück. In besonders markanter Form trat der großserbische Chauvinis¬
mus während der bosnischen Krisis in die Erscheinung. Nur der weit¬
gehenden Selbstbeherrschung und Mäßigung der österreichisch-ungari¬
schen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war
es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in
dieser Zeit von seiten Serbiens ausgesetzt war, nicht zum Konflikt führ¬
x) Britische Dokumente Bd. I, Nr. 100, S. i32.
55o