vorliegenden Falle spiele Österreich-Ungarn seine letzte Karte. Es müsse
entweder volle Genugtuung erhalten oder es laufe Gefahr, sein Prestige
endgültig verloren zu sehen. Das wünsche selbstverständlich Deutschland
nicht, noch wolle es das zugeben. Daher auch sein fester Entschluß,
nicht nur eine österreichisch-ungarische Aktion im vorliegenden Falle zu
unterstützen, sondern auch zu ermutigen. Man habe genug von soviel
Schlaffheit von seiten Wiens. Es genüge nicht, daß Serbien auf die Knie
falle. Die Demütigung müsse so weit gehen, daß dieser Staat sich vor
Österreich nicht nur auf den Knien, sondern „auf dem Bauche“ sehe.
Wenn Rußland sich einmische, sei Deutschland bereit, sich gleichfalls
einzumischen. Bezüglich Rumäniens ist Baron Wangenheim nicht so
pessimistisch wie Pallavicini. Er ist eher dafür, daß es bei einem öster¬
reichisch-serbischen Konflikte neutral bleiben werde. Auf meine Frage,
ob die Rumänen sich ruhig verhalten würden, wenn auch Bulgarien sich
einmische, konnte der Herr Botschafter mir keine bestimmte Antwort
geben, wollte aber eher sagen, er glaube, daß auch in einem solchen Falle
die Gefahr von der Seite nicht so groß sei. Etwas mehr. Er glaubt,
daß mit Takt und Geduld die Annäherung zwischen Bulgarien und Ru¬
mänien nicht ausgeschlossen sei. Im übrigen sei nach ihm le clou de la
question heute in Wien. Alles hinge von der Pose ab, die Österreich-
Ungarn einnehmen werde. Wenn dieses sich zum Handeln entschlossen
zeige, werde das auch in Rumänien Widerhall finden. Wenn letzteres
nicht mit einem schwachen Österreich rechnen wolle, werde es sich ge¬
zwungen sehen, mit einem starken Österreich zu rechnen. Dies werde
einer Annäherung zwischen Bukarest und Sofia förderlich sein.
Was insbesondere Bulgarien betreffe, so müsse es schon jetzt ohne
Schwanken mit Österreich-Ungarn respektive mit dem Dreibunde gehen.
In diesem Sinne würden dem Herrn Botschafter zufolge der bulgari¬
schen Regierung Vorschläge gemacht werden, wenn sie bis jetzt nicht
gemacht seien. Von einer solchen Kombination könnte Bulgarien nur
Vorteile haben. In Berlin hätten sich die Strömungen zu unseren
Gunsten verstärkt. Einzig und allein der Kaiser sei noch für eine grie¬
chisch-türkische Freundschaft, „aber wir alle, fügte Baron Wangenheim
hinzu, sind entgegengesetzter Meinung“.
Der Bericht fährt über weitere Ausführungen des deutschen Bot¬
schafters über die Türkei und die türkisch-griechischen Beziehungen
fort und schließt mit dem Ersuchen des Botschafters, seine Ausführun¬
gen als streng vertraulich zu behandeln.