Nr. g33.
Der bulgarische Gesandte Dimitrieff, Petersburg,
an das Ministerium des Äußern in Sofia.1)
Petersburg, den 1914*
Gestern besuchte mich der türkische Militärattache, Major Mumtas
Bey, ein Kamerad und persönlicher Freund Enver Paschas. Er äußerte
sich in sehr bestimmter Form für ein Offensivbündnis zwischen Bul¬
garien und der Türkei. Zum Ziele hätte dieses Bündnis: Bulgarien soll
Rumänien im Schach halten und Serbien bis zu einer gewissen Zeit, wäh¬
rend dagegen eine türkische Armee von 3ooooo Mann durch Gjumurd-
schina durchmarschieren und die Griechen und Serben in Mazedonien
an greifen soll.
Ich sagte ihm, daß diese Kombination gut sei, nur müsse diesbezüglich
Konstantinopel mit Sofia direkt verhandeln. Er insistierte aber, daß ich
diesen Gedanken als meinen persönlichen nach Sofia lancieren solle.
Es scheint, daß Enver Pascha, als er die Unmöglichkeit die Griechen
zu Wasser zu bekämpfen einsah, sich zu einem Feldzuge zu Lande gegen
die Griechen entschloß.
Es wird gut sein, daß wir für eine solche Eventualität vorbereitet sind
und wenn wir uns entschließen neutral zu bleiben, daß wir in diesem
Falle die ägäische Küste schützen können gegen einen Einfall der Türken.
Hier habe ich mit den Russen nichts über diesen Vorschlag gespro¬
chen. Ich werde auf ihre diesbezüglichen Instruktionen warten.
Neulich sagte mir Sasonow, er fürchte, daß sich Enver in ein Aben¬
teuer stürzen wolle. Ich verbinde diese beiden Gespräche mit dem Be¬
merken, daß es sich um eine seriöse Sache handelt.
Dimitrieff.
Vermerk: Bulgarien ist entschlossen, strenge Neutralität zu wahren.
Radoslawoff.
Nr. 934.
Legationsrat Ritter von Storck an Graf Berchtold.* 2)
Belgrad, den 29. Juni 1914«
Wir alle stehen noch immer derart unter dem erschütternden Eindruck
der gestrigen Katastrophe, daß es mir schwer fällt, mit der nötigen
Fassung, Sachlichkeit und Ruhe das blutige Drama in Sarajevo von hier
*) Bulgarisches Orangebuch Band I, Nr. 189, S. 108.
2) Österreichisches Rotbuch 1914, Nr. 1, S.i* 1
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