Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 873. 
Der stellvertretende russische Außenminister 
an den russischen Geschäftsträger in London.1) 
Geheimtelegramm. St. Petersburg, den 5./18. Oktober 1913. 
Nr. 2893. 
Ich telegraphiere nach Paris. Für den Minister. Der österreichisch- 
ungarische Geschäftsträger hat mir eine schriftliche Mitteilung über¬ 
geben, in der er zu unserer Kenntnis bringt, daß die von Paschitsch in 
Belgrad abgegebenen Erklärungen über die Absichten der serbischen Re¬ 
gierung in der albanischen Frage nicht als befriedigend anerkannt wer¬ 
den könnten. Noch in Wien habe Paschitsch versichert, die serbischen 
Truppen würden die albanische Grenze nicht überschreiten; später aber 
in Belgrad erklärte er dem österreichischen Vertreter, daß es aus strate¬ 
gischen Gründen notwendig sei, einige Punkte auf albanischem Gebiete 
zu besetzen, diese Maßregel ändere aber seine Absicht nicht, sich der 
Entscheidung der Londoner Konferenz unterzuordnen. Da diese Erklä¬ 
rung nicht im Einklang mit den Erklärungen Paschitschs in Wien stehe, 
könne die österreichische Regierung den Versprechungen Serbiens keinen 
Glauben mehr schenken und sei daher genötigt, die Räumung des albani¬ 
schen Gebietes zu fordern. Der österreichische Vertreter in Belgrad sei 
beauftragt worden, eine entsprechende Erklärung bei Paschitsch abzu¬ 
geben und eine Frist von acht Tagen für die Räumung zu 
setzen, nach deren Ablauf Österreich im Falle der Nichterfüllung ge¬ 
nötigt sein werde, zu Mitteln zu greifen, die die Erfüllung seiner Forde¬ 
rungen sichern. 
Nachdem ich von dieser Mitteilung Kenntnis genommen hatte, habe ich 
in heißem Streit mit dem Grafen Czerny zu beweisen versucht, daß die 
österreichischen Forderungen ungerechtfertigt seien, und vor allem dar¬ 
auf hingewiesen, daß Serbien allen Forderungen der Mächte gegenüber 
sich korrekt gezeigt habe, daß es auch schon einmal die Räumung voll¬ 
zogen habe und deshalb, meiner tiefen Überzeugung nach, von den Alba¬ 
nern überfallen worden sei. Wenn Österreich Widersprüche in den 
Äußerungen Paschitschs entdecke, müsse ein Mißverständnis vorliegen, 
da nach unseren Nachrichten Paschitsch auch in Wien zeitweilige Ma߬ 
regeln jenseits der Grenze zum Schutze gegen die Albaner ins Auge ge¬ 
faßt habe. Auf die österreichische Kundgebung könnten die Serben 
leicht antworten, Griechenland sei in Koritza genau in derselben Lage und 
doch habe keine Macht die Zurückziehung der griechischen Truppen ver¬ 
langt. Ich könne den Schritt Österreichs nur bedauern, da ich überzeugt 
sei, daß Österreich gleich uns bemüht sein müßte, möglichst bald den 
i) Iswolski Bd.III, Nr. io95, S.3i3. 
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