Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

rufen lassen. Ich konnte nicht umhin, Spalaikowitsch auf die Gefahren 
hinzuweisen, denen Serbien wieder entgegengeht, auf die mehr als wahr¬ 
scheinliche schroffe Verurteilung der serbischen Handlungsweise durch 
die Mächte sowie auch auf die Verantwortung für mögliche Verwicke¬ 
lungen; in seiner Antwort begann nun Spalaikowitsch zu beweisen, daß 
das Land sich mit der Londoner Grenze nicht zufriedengeben dürfe, die 
von Österreich dazu geschaffen worden sei, um Serbien an der fried¬ 
lichen Entwickelung seiner Kräfte zu hindern, und daß die guten nach¬ 
barlichen Beziehungen mit Essad Pascha die Ruhe auf dem Balkan ge¬ 
währleisten würden, daß die gegenwärtige günstige Minute sich nicht 
wiederholen wird, da nach drei Jahren Österreichs militärische Reorgani¬ 
sation beendet sein und Bulgarien sich erholt haben wird, und daß 
schließlich die serbische Regierung es verstehen wird, Europa zu be¬ 
ruhigen, indem sie in einer an die Mächte gerichteten besonderen Note 
auf den erzwungenen und ausgesprochen zeitweiligen Charakter der er¬ 
griffenen militärischen Maßnahmen, die durch den Einbruch der Albaner 
auf serbisches Territorium verursacht worden sind, hin weisen wird. 
Ferner sagte er mir, daß er den vor einigen Tagen gefaßten Beschluß1, 
die Truppen aus Albanien zurückzuziehen, bedauere, da der erfolgte 
Überfall von den früheren, günstigeren Positionen hätte leichter ab¬ 
geschlagen werden können. Als ich ihm, nicht ohne Berechtigung, 
meine Zweifel an der Richtigkeit seiner Worte aussprach, verteidigte er 
seinen Standpunkt, gab aber dessen ungeachtet zu, daß der in einem be¬ 
trächtlichen Teil Albaniens dislozierte serbische Kordon zahlenmäßig ein 
Bataillon nicht übersteigt. Dies sind die nächsten Pläne, deren Durch¬ 
führung zur Zeit angestrebt wird. Zum Schluß möchte ich noch ganz 
ergebenst den überaus geheimen Charakter dieser Mitteilung betonen. 
Strandmann. 
Nr. 855. 
Der stellvertretende russische Außenminister an den 
russischen Geschäftsträger in London. *) 
St. Petersburg, den 14-/27. September 1913. 
Geheimtelegramm. 
Nr. 2713. 
Abschrift nach Paris, Pera, Sofia, Athen und Cetinje. 
Ich telegraphiere nach Belgrad. 
Indem wir das Recht Serbiens anerkennen, energische Maßregel« 
gegen die Albaner zu ergreifen, die die Grenze verletzten und Unruhen 
erregen, hoffen wir, daß Serbien fortfahren wird, sich, wie während der 
1) Iswolski Bd. III, Nr. io5g, S. 292. 
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