Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

geblieben, müssen jedoch angesichts des Umstandes, daß einerseits der 
Fall Skutaris die bereits en principe erfolgte Zuerkennung dieser Stadt 
zu Albanien, was Rußland betrifft, wieder in Frage stellen könnte, 
andererseits von den serbischen Truppen in brutaler Weise gegen die 
aibanesische Bevölkerung vorgegangen wird, mit allem Nachdrucke auf 
der raschesten Fassung einer Resolution bestehen, wodurch nicht nur 
die Delimitierung Albaniens den serbischen Schwesterstaaten notifiziert, 
sondern auch die letzteren zur Evakuierung des Landes verhalten wer¬ 
den. Würden die in London vertretenen Mächte dem uns von den Mon¬ 
tenegrinern und Serben hart an unserer Grenze gebotenen Schauspiele, 
wonach dieselben den Verhandlungen der Mächte und den Lebensinteres¬ 
sen der Monarchie zum Trotz unter rücksichtsloser Hinopferung von 
Menschenleben ihrem Größenwahn eigenmächtig Geltung verschaffen, 
weiterhin ruhig Zusehen, müßte mit der stetig steigenden Gefahr für die 
Monarchie gerechnet werden, den durch die Lokalisierung des Krieges 
großgezogenen tollen Übermut dieser jüngeren slawischen Staaten¬ 
gebilde schließlich in die Schranken weisen zu müssen. 
Was den dritten Punkt unseres Balkanprogrammes anbelangt, — die 
Zuerkennung territorialer Vorteile an Rumänien — erscheint es unum¬ 
gänglich notwendig, die Erfüllung der rumänischen Wünsche, welche 
sich im wesentlichen in dem Schlagworte „Silistria“ zusammenfassen 
lassen, durchzusetzen, wenn vermieden werden soll, daß die jahrzehnte¬ 
lang auf den Dreibund gestützte Politik Königs Karols vor seinem Lande 
kompromittiert werde und das Prestige der europäischen Staatengruppe, 
welcher Rumänien mehr oder weniger offenkundig angehört, einen Stoß 
erleide. Eine Enttäuschung Rumäniens in diesem Belange müßte den 
Sturz des Kabinetts Majorescu nach sich ziehen und Herrn Bratianu ans 
Ruder bringen, welch letzterer zweifellos zur Gewalt greifen und eine 
europäische Konflagration heraufbeschwören würde, welcher bisher Öster¬ 
reich-Ungarn mit schweren Opfern entgegengearbeitet hat. 
Vom Standpunkte der Zentralmächte nicht minder bedenklich wäre die 
Befriedigung der rumänischen Wünsche ohne entsprechende Kompen¬ 
sation für Bulgarien. Es kann mit absoluter Sicherheit angenommen 
werden, daß Bulgarien in diesem Falle unter tunlichster Zurückstellung 
der Differenzen mit seinen Alliierten seine ganze Politik auf die baldige 
und gründliche Revanche an Rumänien einstellen würde, wobei das 
Kriegsziel nicht nur die Wiedergewinnung Silistrias, sondern auch die 
der ganzen Dobrudscha bilden würde. Auch diese Eventualität ist ohne 
Hineinziehung der Großmächte kaum denkbar, wodurch ein weiterer 
Anlaß zu einer allgemeinen Konflagration gegeben wäre. 
An einer solchen für die Zentralmächte höchst gefährlichen Alter¬ 
native könnte auch ein rumänisch-serbisch-griechisches Zusammengehen 
wenig ändern, denn Rumänien käme unter den obigen Umständen als 
militärischer Faktor in einem allgemeinen Kriege für den Dreibund 
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