geblieben, müssen jedoch angesichts des Umstandes, daß einerseits der
Fall Skutaris die bereits en principe erfolgte Zuerkennung dieser Stadt
zu Albanien, was Rußland betrifft, wieder in Frage stellen könnte,
andererseits von den serbischen Truppen in brutaler Weise gegen die
aibanesische Bevölkerung vorgegangen wird, mit allem Nachdrucke auf
der raschesten Fassung einer Resolution bestehen, wodurch nicht nur
die Delimitierung Albaniens den serbischen Schwesterstaaten notifiziert,
sondern auch die letzteren zur Evakuierung des Landes verhalten wer¬
den. Würden die in London vertretenen Mächte dem uns von den Mon¬
tenegrinern und Serben hart an unserer Grenze gebotenen Schauspiele,
wonach dieselben den Verhandlungen der Mächte und den Lebensinteres¬
sen der Monarchie zum Trotz unter rücksichtsloser Hinopferung von
Menschenleben ihrem Größenwahn eigenmächtig Geltung verschaffen,
weiterhin ruhig Zusehen, müßte mit der stetig steigenden Gefahr für die
Monarchie gerechnet werden, den durch die Lokalisierung des Krieges
großgezogenen tollen Übermut dieser jüngeren slawischen Staaten¬
gebilde schließlich in die Schranken weisen zu müssen.
Was den dritten Punkt unseres Balkanprogrammes anbelangt, — die
Zuerkennung territorialer Vorteile an Rumänien — erscheint es unum¬
gänglich notwendig, die Erfüllung der rumänischen Wünsche, welche
sich im wesentlichen in dem Schlagworte „Silistria“ zusammenfassen
lassen, durchzusetzen, wenn vermieden werden soll, daß die jahrzehnte¬
lang auf den Dreibund gestützte Politik Königs Karols vor seinem Lande
kompromittiert werde und das Prestige der europäischen Staatengruppe,
welcher Rumänien mehr oder weniger offenkundig angehört, einen Stoß
erleide. Eine Enttäuschung Rumäniens in diesem Belange müßte den
Sturz des Kabinetts Majorescu nach sich ziehen und Herrn Bratianu ans
Ruder bringen, welch letzterer zweifellos zur Gewalt greifen und eine
europäische Konflagration heraufbeschwören würde, welcher bisher Öster¬
reich-Ungarn mit schweren Opfern entgegengearbeitet hat.
Vom Standpunkte der Zentralmächte nicht minder bedenklich wäre die
Befriedigung der rumänischen Wünsche ohne entsprechende Kompen¬
sation für Bulgarien. Es kann mit absoluter Sicherheit angenommen
werden, daß Bulgarien in diesem Falle unter tunlichster Zurückstellung
der Differenzen mit seinen Alliierten seine ganze Politik auf die baldige
und gründliche Revanche an Rumänien einstellen würde, wobei das
Kriegsziel nicht nur die Wiedergewinnung Silistrias, sondern auch die
der ganzen Dobrudscha bilden würde. Auch diese Eventualität ist ohne
Hineinziehung der Großmächte kaum denkbar, wodurch ein weiterer
Anlaß zu einer allgemeinen Konflagration gegeben wäre.
An einer solchen für die Zentralmächte höchst gefährlichen Alter¬
native könnte auch ein rumänisch-serbisch-griechisches Zusammengehen
wenig ändern, denn Rumänien käme unter den obigen Umständen als
militärischer Faktor in einem allgemeinen Kriege für den Dreibund
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