Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 781. 
Der österreich-ungarische Minister des Äußern 
Graf Berchtold an den Staatssekretär des Auswärtigen 
Amtes von Jagow.x) 
Ausfertigung. 
Privatbrief. Wien, am i3. März 1913. 
Nach dreiwöchentlicher Krankheit komme ich endlich dazu, einem, 
langgehegten Herzenswunsch entsprechend Ihnen meine freudige Dank¬ 
barkeit aussprechen zu können für Ihre durch Herrn von Tschirschky 
verdolmetschte freundliche Absicht, mich, sobald Klärung am politischen 
Horizont eintritt, aufsuchen zu wollen. Letzteres ist bedauerlicherweise 
noch nicht abzusehen, und so möchte ich Sie bitten, mir zu gestatten, 
im nachfolgenden einige politische Konsiderationen über die momentane 
Lage vom hierortigen Standpunkte aus betrachtet zusammenzufassen, 
was mir im Interesse eines zielbewußten Zusammenarbeitens der beiden 
Zentralmächte gelegen scheint. 
Wir haben vom Anfänge der nun schon Monate währenden Krise uns 
einige für die Interessen der Monarchie ausschlaggebende Programm- 
punkte festgesetzt, an welchen wir unbedingt festzuhalten gesonnen sind 
und unter welchen die Nichtzulassung Serbiens, des hartnäckigsten Ex¬ 
ponenten Rußlands am Balkan, an die Adria, die Schaffung eines lebens¬ 
fähigen Albaniens und die Befriedigung der territorialen Ansprüche Ru¬ 
mäniens zu den wichtigsten gehören. 
Die beiden ersteren Punkte sind nach langwierigen diplomatischen 
Kämpfen schließlich von allen Mächten anerkannt worden, können aber 
nicht als gesichert betrachtet werden, insolange von montenegrinischer 
und serbischer Seite manu militari den Intentionen der Mächte ent¬ 
gegengearbeitet und der Versuch gemacht wird, durch faits accomplis 
den Willen Europas zu durchkreuzen. In diesem Belange sind die in 
der letzten Zeit wiederholt signalisierten, zum Teil mit griechischer 
Assistenz besorgten serbischen Truppenverschiebungen nach Albanien1 2) 
von symptomatischer Bedeutung und können die gelegentlichen be¬ 
schwichtigenden Erklärungen serbischer und russischer Diplomaten, daß 
es sich um eine mehr formale Einlösung der gegenüber Montenegro ein¬ 
gegangenen Vertragspflicht handle, nicht über den wahren Charakter 
dieser Maßnahmen hinwegtäuschen. Wir sind bisher unserem vom An¬ 
fänge an aufgestellten Grundsätze, die Kriegsoperationen nicht stören, 
jedoch bei der schließlichen Aufteilung mitsprechen zu wollen, treu 
1) Die Große Politik Bd. 34 (II. Hälfte), Nr. 12 969, S. 495. 
2) Vgl. Nr. 12948 Fußnote *. 
25 Boghitschewitsch, Serbien II. 
385
	        
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