Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

in formalen Dingen um so besser das Wesentliche der 
von uns verteidigten Interessen gewährleisten können. 
Aber bei Beurteilung der letzteren gehen wir von dem Standpunkt aus, 
daß die Interessen der Balkanstaaten und unsere eigenen 
tief begründeten Interessen es notwendig machen, den 
Balkanstaaten zu einer möglichst vollständigen Nutz¬ 
nießung der Resultate der von ihnen errungenen Siege 
und der von ihnen gebrachten Opfer zu verhelfen. 
Wird das Ziel erreicht, so wird dies zu einer noch nicht dagewesenejn 
Stärkung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der von uns ins Leben 
gerufenen Nationen führen, und, je mehr es uns gelingen wird, diese 
Aufgabe zu verwirklichen, einen um so günstigeren Boden werden wir 
dann in allernächster Zeit für unsere Beziehungen mit den Staaten schaf¬ 
fen, die unsere natürlichen Bundesgenossen in Europa 
sind. 
Wir sind überzeugt, daß in dieser Beziehung die Interessen Frank¬ 
reichs und Englands mit den unsrigen durchaus identisch sind. 
Die Aufgabe Rußlands beschränkt sich jedoch nicht ausschließlich 
auf den Schutz der Interessen der Balkanstaaten den Großmächten gegen¬ 
über. Seinen Traditionen getreu muß Rußland die Interessen die¬ 
ser Staaten weiter und tiefer verstehen, als sie selbst es 
tun. Unter Berücksichtigung ihres natürlichen Ehrgeizes, welcher noch 
unter dem Eindruck der errungenen Siege gesteigert worden ist, haben 
wir uns nicht nur enthalten, unnütze Ratschläge zu erteilen, die in den 
Balkanhauptstädten nur unrichtig hätten verstanden werden können, son¬ 
dern wir haben es sogar vermieden, uns die Rolle eines aktiven Ver¬ 
mittlers anzumaßen, wenn unter den Balkanalliierten Meinungsverschie¬ 
denheiten entstanden. Wir haben aber keine Gelegenheit Vorbeigehen 
lassen, ohne sie freundschaftlich darauf hinzuweisen, daß sie sich selbst 
untereinander verständigen und zu einer Einigung kommen müßten, da 
ihre Uneinigkeit nur ihren gemeinsamen Gegnern zum Nutzen gereichte. 
Unseres Erachtens wäre es am günstigsten, bei den Verhandlungen der 
Alliierten mit der Türkei gemeinsam die Abtretung eines gemeinschaft¬ 
lichen Territoriums zu verlangen, welches alsdann unter den Alliierten 
in gegenseitigem Einverständnis aufgeteilt werden sollte. Auf diese Weise 
würde eine Einmischung von dritter Seite in die Bestimmung der gegen¬ 
seitigen Grenzen der Balkanstaaten vermieden werden. 
In ihren Unterredungen mit den Vertretern der Balkanstaaten bitte 
ich Sie, ihre Aufmerksamkeit auf folgenden Umstand zu lenken: 
Es wäre für Serbien unklug und verhängnisvoll, nicht mit 
der Notwendigkeit zu rechnen, auf territoriale Erwer¬ 
bungen an der Adria ztu verzichten. Wir sind überzeugt daß 
die realen Garantien, die wir für den serbischen Zugang zu albanischen 
Häfen zu verwirklichen beabsichtigen, ebenso wie die Möglichkeit, auf 
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