Als leitenden Grundsatz für die österreichisch-ungarische Politik bezeich¬
nte der Minister die Absicht auf friedlichem Wege, womöglich mit
einem diplomatischen Erfolge, jedenfalls aber mit Ehren aus der jetzi¬
gen Lage herauszukommen. Einen Krieg könnte ich natürlich leicht in
24 Stunden provozieren,“ meinte der Minister. „Das will ich aber nicht
und ich bin mir der Verantwortung, die ich dem Deutschen Reiche gegen¬
über trage, vollkommen und jeden Augenblick bewußt.“ Die Sache sei
aber besonders deswegen nicht leicht, weil, wie er betonen müsse, Öster¬
reich-Ungarn seine Politik Serbien gegenüber weniger als Selbstzweck
verfolge, sondern hauptsächlich als Mittel zu dem Hauptzwecke, sich
die Möglichkeit zu schaffen, die sieben Millionen Südslawen der Mon¬
archie in Ruhe und Frieden als Glieder der Monarchie regieren zu kön¬
nen. Ich habe, wie Euerer Exzellenz bekannt, wiederholt in meiner
gehorsamsten Berichterstattung auf diesen Hauptpunkt hingewiesen. So
klar hatte ich aber diesen Satz aus dem Munde des lei¬
tenden Ministers bisher hoch nicht vernommen. Graf
Berchtold führte weiter aus, es sei dies eine Frage, die man im Auslande
nur schwer in ihrer vollen Tragweite ermessen könne*). Er selbst habe,
als er das Ministerium übernahm, keine Ahnung von der südsla¬
wischen Frage gehabt**). Man müsse hier gelebt haben, um sie
zu verstehen. In Petersburg als Botschafter habe er sich stets gefragt,
warum Graf Aehrenthal der serbischen Frage ein so entscheidendes Ge¬
wicht beilege und sich deshalb immer wieder mit Rußland in Gegensatz
setze und ihm in Petersburg damit unausgesetzt, wie er meinte, unnötige
Schwierigkeiten bereite. (?!) Sein Verhältnis zum Grafen Thurn sei ja
augenblicklich ganz das gleiche; auch dieser begreife nicht den hiesigen
Standpunkt. Aber je länger und genauer, er, Graf Berchtold, die Dinge
als leitender Minister hier ansehe, um so wichtiger erscheine ihm
die südslawische Frage für die Monarchie. Sie habe gerade
wieder in den letzten Tagen an Ernst gewonnen. Denn leider machten
sich in Bosnien und der Herzegowina Strömungen geltend, die direkt
gegen die Monarchie gerichtet seien und sehr zum Nachdenken***) auf¬
forderten. Auch besonders Seine Majestät der Kaiser sei von diesen
Nachrichten empfindlich berührt worden. Der Kaiser habe deshalb heute
früh auch seine Zustimmung dazu gegeben, daß die dortigen Truppen¬
kaders verstärkt würden, aber nur durch Stellungspflichtige und Reser¬
visten aus den beiden genannten Provinzen1). Man beabsichtige da¬
durch, daß man die Leute bei den Fahnen halte, sie den staatsfeind¬
lichen Agitationen zu entziehen. Sollte sich diese Verstärkung nicht als
Randbemerkungen von Kiderlen:
*) Wir gewiß.
**)!!!
***) Maßregeln?
3%
!) Vgl. Nr. 12 485.