Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

unseres Abkommens über die Orientfragen auf der genauen Festset¬ 
zung der zukünftigen allgemeinen Richtlinien für die Politik, die wir 
im gegenseitigen Einvernehmen auf dem Balkan befolgen müssen. Ich 
brauche nicht darauf hinzuweisen, welche Bedeutung ich dem Erfolge 
dieser Verhandlungen beimesse, da ich fest davon überzeugt bin, daß 
ein Abkommen, wie es unsere Regierungen im Auge haben, am aller¬ 
besten dem Monarchismus und dem Konservatismus nützen wird, 
den Prinzipien, die uns im Interesse der Zukunft unserer Reiche so sehr 
am Herzen liegen. 
Indem meine Regierung an einer befriedigenden Lösung dieser so 
überaus wichtigen Fragen arbeitete, mußte sie sich noch mit einem an¬ 
deren Problem von besonderer Wichtigkeit befassen, dessen Lösung ohne 
Gefährdung der friedlichen Entwicklung der Ereignisse in Gebieten an 
meinen Grenzen nicht hinausgeschoben werden konnte. 
Es handelt sich um die Lage von Bosnien und der Herzegowina. 
Diese beiden Provinzen haben gegenwärtig dank den unablässigen Be¬ 
mühungen meiner Regierung einen hohen Grad der geistigen und wirt¬ 
schaftlichen Entwicklung erreicht, sie streben gesetzlich nach den 
Wohltaten einer autonomen und konstitutionellen Re¬ 
gierung1), woran meine Regierung nicht in der Lage ist, sie weiter 
zu hindern, in Anbetracht der unvorhergesehenen Ereignisse, die sich 
in der Türkei zugetragen haben* 2). 
Es ist aber nicht möglich, an die Gewährung einer Verfassung für 
Bosnien und die Herzegowina heranzutreten, bevor nicht die Frage der 
zukünftigen politischen Stellung dieser Provinzen endgültig geregelt ist. 
Somit ist scheinbar jener Augenblick herangekommen, auf denGiers3) 
in seinem Telegramm an den Fürsten Lobanow1) vom 27. Februar 1884 
anspielt, wo er von unvorhergesehenen Umständen spricht, welche die 
österreichische Regierung veranlassen könnten, die in den beiden okku¬ 
pierten Provinzen bestehende Lage abzuändem. 
Tatsächlich, nicht Erwägungen des politischen Vorteils, sondern die 
sich aus der allgemeinen Lage ergebende zwingende Notwendigkeit ver¬ 
anlassen mich, zur Annexion von Bosnien und der Herzegowina zu 
schreiten. 
Im festen Vertrauen auf Deine erprobte Freundschaft und auf die 
Stärke der unsere Reiche verknüpfenden traditionellen Bande bin ich 
fest überzeugt, daß Du Dich wohlwollend zu dieser Maßnahme verhalten 
wirst, zu der wir gezwungen sind und die Dein seliger Vater und Gro߬ 
vater vorausgesehen und ohne Einwendung gebilligt haben. 
Zum Beweise dessen, daß dieser Beschluß in keiner Weise den kon¬ 
*) gesperrt gedruckten Worte sind von Nicolai II. unterstrichen. 
2) Der jungtürkische Umsturz. 
3) Außenminister unter Alexander III. 
*) Russischer Botschafter in Wien zur gleichen Zeit. 
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