Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

halb der ausschlaggebenden österreichischen politischen Parteien fange 
man an, die Annexion als notwendig zu betrachten. So sei zum Beispiel 
heute eine Abordnung der Ghristlichsozialen bei ihm gewesen, um die 
Annexion der okkupierten Provinzen zu empfehlen. 
Über die Gestaltung des staatsrechtlichen Verhältnisses und der 
Herzegowina zu den Ländern der Monarchie wollte sich Freiherr von 
Aehrenthal noch nicht äußern. Doch habe ich Grund zu der Annahme, 
daß die neuen Provinzen weder zu Österreich noch zu Ungarn geschlagen 
werden, sondern wie bisher ein gesondertes, vom gemeinsamen Finanz¬ 
ministerium administriertes Land bleiben sollen. 
Über die erfolgte Zustimmung Rußlands und Italiens sind Euere 
Durchlaucht, wie mir Freiherr von Aehrenthal sagt, bereits eingehend 
unterrichtet. Tschirschky. 
Bemerkungen des Fürsten von Bülow am Kopfe des Schriftstückes: 
1) Seiner Majestät erst vorzulegen, nachdem der Ährenthalsche Brief an mich und 
mein Brief dazu hei Seiner Majestät eingetroffen sein wird. 
2) Seinerzeit an Botschafter Eomtantinopel» wenn dieser über die Angelegenheit 
informiert wird. B. 
Randbemerkungen des. Fürsten von Bfllbw: 
*) Gut. 
**) Richtig. 
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II. auf einem Duplikat der Entzifferung: 
f) 6/X 08! das- hatte' mir aofbit telegrafiert werden müssen! 
ff) die Ansicht; hat der Dieb nadh» nachdem er dem reichen Wanderer das schwere 
Portemonnaie geraubt hat;! 
fff) naiv! Erst rauhen dann, Freund, spielen. 
ff ff) too late! 
Schlußbemerkung des Kaisers: 
Dieses Telegramm ist von höchster Wichtigkeit, und hättte sofort mir zur Kennt¬ 
nis gebracht werden, müssen! 
Nr. 4^8. 
Kaiser Franz Joseph an Zar Nicolai II.1) 
Wien, den 29. September (neuen Stiles) 1908. 
„Mein teurer Freund! 
Du kennst die Verhandlungen, die seit einiger Zeit von unseren Re¬ 
gierungen geführt werden zum Zwecke der Festigung der Grundlagen 
T) Die nachstehend veröffentlichten Briefe einschließlich der Fußnoten sind einem 
Aufsatz von A. Saiontschkowski „Dm die Annexion von Bosnien und der Herzegowina“ 
in Heft 10 der vom Zentralarchiv in Moskau herausgegebenen historischen Zeitschrift 
„Krasny Archiv“ entnommen. Saiontschkowski gibt in seinem Aufsatz eine kurze Vor¬ 
geschichte der Ministerzusammenkunft von Buchlau und verbindet dann die einzelnen, 
sich auf die Annexionskrise beziehenden Briefe der beiden Herrscher mit erläuterndem 
Text. Da die Konzepte der Briefe des Zaren zum Teil von d/er* Hand Iswolskis ger- 
schrieben sind, bezeichnet Saiontschkowski den nachstehenden Briefwechsel mit Recht als 
„ein diplomatisches Duell“ zwischen Iswolski und Aehrenthal. Wir haben den Briefen 
das von Saiontschkowski im Begleittext angegebene Datum jedesmal vorangestellt. Der 
Begleittext ist hier nicht mit auf genommen. 
April 1926. Die Schriftleitung der Zeitschrift „Die Kriegsschuldfrage“. 
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