Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

fen nicht zu befestigen und keine Kriegsschiffe dort zu halten, auch auf 
weitere Häfen sowie auf größeres Stück von Albanien zu verzichten. 
Herr Sasonow behauptete übrigens, daß der von Serbien bean¬ 
spruchte Landstreifen größtenteils von Serben bewohnt 
werde. Eine Lösung auf vorstehender Basis hält er daher 
für billig und hofft, daß auch wir im Interesse der allgemeinen Be¬ 
ruhigung für angängig halten würden, unserem Verbündeten diese Lö¬ 
sung zu empfehlen1). Ich habe dem Minister, welcher mich bat, in die¬ 
sem Sinne zu berichten, versprochen, seine Äußerungen zu übermitteln, 
aber dabei ausdrücklich betont, ich wüßte nicht, wie meine Regierung 
sich zu seinem Wunsch stellen werde, da es immerhin, wie er selbst zu¬ 
geben müsse, heikel sei, auf einen Verbündeten in einer Angelegenheit, 
in welcher wichtige Interessen für ihn auf dem Spiele stehen, einwirken 
zu wollen. 
Ich fand Herrn Sasonow gestern eher pessimistisch. Er fürchtet vor 
allem, daß Österreich-Ungarn beim Erscheinen der Serben an der 
Adriatischen Küste dieselben mit Gewalt werde vertreiben wollen und be¬ 
merkt: „Wenn das eintritt und Österreich-Ungarn auf diese Weise der 
Verbündete der Türkei im Kampfe gegen einen slawisch-orthodoxen 
Staat wird, dann stehe ich bei Stimmung hiesiger öffentlicher Meinung 
für nichts.“ Pourtales. 
Nr. 710. 
Der Botschafter in London Fürst von Lichnowsky 
an das Auswärtige Amt.a) 
Entzifferung. 
Telegramm. London, den 18. November 1912. 
Nr. i84. 
Mein russischer Kollege sagte mir heute, die russische Note nach Bel¬ 
grad sei noch viel schärfer ausgefallen als die der hiesigen Regierung. Im 
Ausland werde aber der Einfluß Rußlands in Serbien sehr überschätzt, 
und namentlich jetzt nach den Erfolgen ihrer Waffen hätten die Serben 
erklärt, sich von jeglicher Vormundschaft befreien zu wollen, sowohl von 
der russischen als auch der österreichischen. Es sei daher schwer be¬ 
rechenbar, was sie in dem bestehenden Streitfall mit Österreich beschlie¬ 
ßen würden. Glücklicherweise seien die Beziehungen zwischen Sasonow 
und Grafen Berchtold, wie ersterer dem Grafen Benckendorff hier ver¬ 
sichert hat, ausgezeichnet und vertrauensvoll, was für die friedliche Bei¬ 
legung aller streitigen Fragen sehr ins Gewicht fiele. 
1) Vgl. dazu Sasonows Telegramm an Graf Benckendorff vom 17. November. Der 
Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis, ed. Fr. Stieve, II, 347. 
2) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 386, S. 346. 
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