Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 705. 
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 
von Kiderlen an den Gesandten in Belgrad 
Freiherrn von Griesinger.1) 
Konzept. 
Nr. i35. Berlin, den i5. November 1912. 
Der dortige österreichisch-ungarische Gesandte ist angewiesen worden, 
sich der serbischen Regierung gegenüber wie nachstehend zu äußern: 
Serbien habe sich bei seinem Konflikte mit der Türkei, in dessen 
Verlaufe es einen Teil des Sandschak und weite Gebiete in Mazedonien 
besetzt habe, wohl davon überzeugen können, daß Österreich-Ungarn 
sich keineswegs von feindlichen oder selbst nur unfreundlichen Gefühlen 
gegen Serbien habe leiten lassen, vielmehr durch seine friedfertige und 
in betreff der Munitionsdurchfuhr sogar wohlwollende Haltung den 
Beweis großen Entgegenkommens erbracht habe. Wenn nun Öster¬ 
reich-Ungarn gegen einen bedeutenden Gebietszuwachs Serbiens keinen 
Einspruch erhebt und die Herstellung eines besseren wirtschaftlichen 
Verhältnisses wünscht, so wäre es wohl eine falsche Politik, wenn 
Serbien durch übertriebene, fremde Interessen störende Ansprüche die 
Aussicht auf ein dauernd gutes Verhältnis mit der Mon¬ 
archie in Frage stellen wollte. 
Österreich-Ungarn anerkennt Serbiens Wünsche, seine Unabhängigkeit 
in jeder Richtung gewahrt zu sehen und sich hierzu einen Verbindungs¬ 
weg mit dem Meere zu sichern. Dieser Wunsch setzt aber nicht not¬ 
wendigerweise eine territoriale Vergrößerung bis an die Adria voraus, 
welche die Schaffung eines lebensfähigen, autonomen Albaniens un¬ 
möglich machen würde. Serbien könne seinen Zweck der Sicherstellung 
seiner Verbindung mit dem Meere auch auf andere Weise erreichen 
und, wenn es glaube, in dem Besitz einer eigenen Küste seine vitalen 
Interessen zu erblicken, deren Befriedigung in dem Erwerb 
eines Hafens des Ägäischen Meeres finden. — 
Ew. pp. bitte ich, sich an maßgebender Stelle in ähnlichem Sinne 
auszusprechen. 
Kiderlen. 
1) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 371, S. 33o. 
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