Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

daß sie keineswegs geneigt sind, den Konflikt mit den Dreibundmächten 
wegen dieser Frage zuzuspitzen. Wir unsererseits haben Serbien kate¬ 
gorisch wissen lassen, daß es nicht darauf rechnen solle, uns mit sich 
fortzureißen. Auf einen Krieg mit den Mächten des Dreibundes wegen 
der Frage des serbischen Hafens an der Adria werden wir uns nicht 
einlassen. Was den angeblich von den Verbündeten gefaßten Entschluß 
betrifft, die europäische Türkei ohne Recht unter sich aufzuteilen, ohne 
die Interessen Österreichs und Italiens zu berücksichtigen, so warnen wir 
gleichfalls wegen der Folgen, welche eine derartige Politik unüberlegter 
Begeisterung, die Serbien der Sympathien Frankreichs und Englands be¬ 
rauben würde, nach sich ziehen kann. Nicht mit Tatsachen zu rechnen, 
ist gefährlich. Man kann daher die Augen vor der Notwendigkeit nicht 
verschließen, daß sich ein albanischer Uferstaat bilden muß. Zeigen sich 
die Serben nachgiebiger, so wird es leichter sein, darauf zu bestehen, daß 
ihre Forderungen bei Bestimmung des Umfangs und der Organisation 
zur Geltung kommen und es wird auch leichter sein, Vorteile ökonomi¬ 
schen Charakters für sie auszubedingen. Je zänkischer sie sich zeigen,, 
desto größer ist die Gefahr völliger Isolierung für sie. Sprechen Sie ohne 
Zeitverlust in diesem Sinne mit Paschitsch und warnen Sie ganz offen 
vor der Expedition nach Durazzo. Die Serben dürfen uns nicht in die 
Lage bringen, uns öffentlich von ihnen loszusagen. 
Sason ow. 
Nr. 697. 
Der russische Außenminister 
an den russischen Botschafter in London.1) 
3o. Oktober 
1 elegramm. St. Petersburg, den I2 November I912* 
Nr. 2556. 
Mitgeteilt nach Paris. 
Ich telegraphiere nach Sofia: Der bulgarische Gesandte besuchte mich 
heute und erklärte, daß seine Regierung mit der serbischen 
in der Frage des Ausgangs zur Adria solidarisch sei. 
Ich machte Bobtschew darauf aufmerksam, daß ein Vorgehen Serbiens 
und Bulgariens gegen Österreich nach den schweren Verlusten 
unmöglich sei. Ein Konflikt der slawischen Staaten mit Österreich werde 
ohne Zweifel die Hoffnungen der Türkei beflügeln. Bei einem aktiven 
Vorgehen der Verbündeten gegen Österreich würden die türkischen 
Armeen ihnen in den Rücken fallen. Die jetzigen Beziehungen Rumä¬ 
niens zu Bulgarien ließen Gefahren von seiten Rumäniens erwarten. 
Andererseits warnte ich Bobtschew vor der Annahme, daß Österreich sich 
!) Iswolski Bd.II, Nr. 565, S.344. 
3o3
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.