Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

der sehr verzweigten Familie Nenadowitsch verwandt, und diesen Haupt¬ 
mann kenne der König nicht einmal. 
Milowanowitsch suchte die ganze Angelegenheit so hinzustellen, als 
handle es sich um unreife Pläne einiger konfuser Phantasten, die von 
dem Denunzianten Nastitsch, sei es aus Rache, sei es zum Zwecke des 
Geldgewinnes, enthüllt seienP 
Nicht so harmlos sieht mein österreichischer Kollege die Enthül¬ 
lungen an. 
Legationsrat Franz sagte mir, die Angaben des Nastitsch hätten 
seiner Regierung nichts Neues gebracht; im Gegenteil besäße sie 
über die revolutionäre südslawische Organisation noch 
viel mehr Material, als Nastitsch in seiner Broschüre 
angebe. Sie wisse genau, daß die serbische Regierung 
seit langem konspiriere und die Verschwörung mit allen 
Mitteln unterstütze. Nur habe die österreichisch-ungarische Re¬ 
gierung nicht offiziell gegen die Wühlereien vorgehen wollen, da sie 
gehofft habe, daß schließlich alle Treibereien im Sande verlaufen wür¬ 
den. Die Nastitschschen Enthüllungen wären ihr deshalb sehr unan¬ 
genehm, weil sie dem Staatsanwalt die Verpflichtung auferlegt hätten, 
von Amts wegen einzugreifen, und ihr damit die Möglichkeit genommen 
sei, auf die nunmehl* ausschließlich gerichtliche Angelegenheit irgend¬ 
einen Einfluß auszuüben. Die Regierung und ihre Organe ständen der 
Einleitung des Prozesses vollkommen fern, sie sähe sogar mit einiger 
Besorgnis dem Verlaufe des Prozesses entgegen, denn wenn etwas von 
den Angaben des Nastitsch bewiesen würde, so würde das sicherlich 
sehr ungünstig auf die politische Lage zurückwirken. 
Als streng vertraulich teilte mir Legationsrat Franz noch mit, daß 
der bisherige italienische Militärattache O. Zampolli dem serbischen 
Generalstab einen Plan für einen Aufmarsch der serbischen Armee aus¬ 
gearbeitet habe für den Fall, daß durch irgendwelche Konstellation 
eine aktive Betätigung in großserbischem Sinne möglich würde. Gleich¬ 
zeitig habe der italienische Militärattache einen Operationsplan der 
italienischen Armee ausgearbeitet und der serbischen Regierung über¬ 
geben, wonach Italien den Serben in ihrer Aktion behilflich sein wolle. 
Als Dank für seine große Arbeit soll unter den serbischen Offizieren 
eine Sammlung zu einem Geschenk für ihn veranstaltet sein. 
Diese Bemerkung zeigt, wie orientiert die österreichische Regierung 
über alle serbischen Machenschaften ist. Mag die Entrüstung der Ser¬ 
ben über den Charakter des Nastitsch eine gerechte sein — seine Be¬ 
hauptungen über den Bestand einer revolutionären süd¬ 
slawischen Organisation sind jedenfalls wahr. 
Serbischerseits wird man natürlich bemüht sein, die etwa durch den 
Prozeß erwiesenen Behauptungen des Nastitsch als harmlose Tatsachen 
hinzustellen. Es sind dann eben Ideen von Heißspornen gewesen, die
	        
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