Nr. 674.
Graf Szögyeny an Graf Berchtold.1)
Telegramm. Berlin, 5. November 1912.
Ich hatte gestern Gelegenheit, Marquis di San Giuliano über den
Standpunkt zu informieren, den Euer Exzellenz angesichts der Ereignisse
am Balkan einnehmen. Italienischer Minister des Äußern wird Euer
Exzellenz Ausführungen noch genau studieren, er könne aber schon jetzt
sich dahin aussprchen, daß die italienische Regierung sich mit den Dar¬
legungen Euer Exzellenz, welche die Grundzüge des von Österreich-
Ungarn eingenommenen Standpunktes in der Balkanfrage enthalten, ein¬
verstanden erklären werde.
Die Zurückweisung des Begehrens Serbiens nach einer
sich auf das eigentliche Albanien erstreckenden Gebiets¬
erweiterung bis an die Adria finde er durchaus begreif¬
lich. Ein derartiger Korridor zum Adriatischen Meere
durch albanesisches Gebiet wäre auch mit Italiens Inter¬
essen nicht vereinbar.
Nr. 675.
Der russische Botschafter in Paris
an den russischen Außenminister.* 2)
24* Oktober
6. November I^1"*
Nr. 33g.
Telegramm Nr. 2461 erhalten.
Heute hat der hiesige österreichische Botschafter Poincare dieselben
Erklärungen gegeben, die Sie von dem Grafen Thurn erhalten haben,
aber bezüglich Serbiens in einer viel bestimmteren Form. Graf Szeczen
bestätigte, daß Österreich für sich Gebietskompensationen zu fordern
nicht beabsichtige, andererseits aber es durchaus nicht zulassen könne,
daß Serbien ein Zugang zum Adriatischen Meer bewilligt würde, wenn
es auch nichts gegen einen gewissen Gebietszuwachs dieses Staates einzu¬
wenden habe. Auf die Bemerkung Poincares, daß die Gerechtigkeit es
erfordere, Serbien für seinen Handel einen freien Ausgang zu schaf¬
fen, antwortete Graf Szeczen, nach Österreichs Ansicht werde wahr¬
scheinlich kein Hindernis dafür bestehen, daß Serbien auf irgendeine
Weise vermittels einer Eisenbahnlinie ein solcher Ausgang nach dem
*) Österreichisches Rotbuch 1912, Nr. 73, S. 43.
2) Iswolski Bd.II, Nr. 55o, S.33a.
Geheimtelegramm.
Paris, den
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