Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

agrarischen Strömungen, Schwierigkeiten ergeben; die müßten dann 
aber mit allen möglichen Mitteln überwunden werden. Diese Lösung der 
Frage würde wohl auch am besten den Wünschen und Interessen der 
Südslawen der Monarchie entsprechen, auf die man, wie die Dinge lägen, 
Rücksicht nehmen müsse. Allerdings müßten Garantien geschaffen wer¬ 
den, daß dort an der Südostgrenze des Reiches nicht eine neue Irredenta 
entstehe. 
Sei aber eine handelspolitische Einigung mit Serbien nicht zu erlangen, 
so wolle er die Hoffnung nicht aufgeben, daß auch dann noch die not¬ 
wendige Wahrung der Interessen der Monarchie „auf anderem Wege“ 
ebenfalls ohne größere Komplikationen durchzuführen sein 
werde. Wenn Österreich Rußland Zusicherungen geben würde, daß es 
sich in bulgarische Angelegenheiten nicht einmischen und gegen terri¬ 
toriale Vergrößerung Bulgariens nichts einwenden werde, so sollte er 
glauben, daß man in Petersburg einsehen werde, daß es unangebracht 
sein würde, Österreich in der Verfolgung seiner absoluten Lebensinteres¬ 
sen in der serbischen Sphäre durch einen Krieg zu hindern, für den; man 
nach der inneren Lage des Reiches und auch militärisch doch nicht ge¬ 
hörig vorbereitet sei. 
Graf Berchtold bemerkte zum Schluß, er habe mir hiermit ganz ver¬ 
traulich und in weiten Umrissen darlegen wollen, wie er sich etwa die 
Zukunft denke. Für bestimmte Pläne sei aber die Zeit noch nicht ge¬ 
kommen, und man müsse zunächst abwarten, wie die militärische Aktion 
am Balkan verlaufen und wie sich gegebenenfalls die Mediation der 
Mächte gestalten und welche Folgen diese zeitigen werde. 
von Tschirschky. 
Nr. 664. 
Der russische Botschafter in Paris 
an den russischen Außenminister.1) 
Geheimtelegramm. Paris, den i5./28. Oktober 1912. 
Nr. 292. 
Poincaré hat mir gesagt, seine öffentlichen Erklärungen über die 
Bündnistreue Frankreichs hätten unter anderem bezweckt, das Berliner 
Kabinett von der Nutzlosigkeit seiner Versuche, die französische Regie¬ 
rung in eine neue Mächtegruppierung hineinzuziehen, zu überzeugen. 
Seine Rede, die von den Anwesenden mit lautem Beifall aufgenommen 
wurde, wird zweifellos die hiesige öffentliche Meinung sehr stark beein¬ 
flussen. Heute sprechen sich alle Pariser Zeitungen ohne Ausnahme sehr 
warm im Sinne dieser Erklärung aus. Überhaupt bemerkt man hier unter 
i) Iswolski Bd. II, Nr. 532, S. 320. 
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