Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

sich ausschließlich gegen Österreich-Ungarn richten werde. Als aber 
der 18. August des Vorjahres, an dem diese Aktion beginnen sollte, 
verstrich, ohne daß etwas in der bezeichneten Richtung geschah, und 
vielmehr angekündigt wurde, daß man gegen den Fürsten von Monte¬ 
negro vorgehen werde, sei er, Nastitsch, nicht einverstanden gewesen. 
Nastitsch begab sich nach Sarajewo und wurde später Kronzeuge im 
Cetinjer Bombenprozesse, nachdem man in Montenegro tatsächlich 
Bomben gefunden hatte. 
In seiner Broschüre nannte Nastitsch verschiedene Persönlichkeiten 
in Kroatien-Slawonien, lauter Serben, die an der Belgrader Verschwö¬ 
rung beteiligt gewesen sein sollen. Gegen diese wurde als ungarische 
Staatsangehörige und Bürger Kroatien-Slawoniens auf Veranlassung des 
Banus Rauch die Untersuchung wegen Hochverrates eingeleitet. Es 
sind bereits mehrere Verhaftungen vorgenommen, und zwar wurde 
zuerst — am 7. August — der Konzeptspraktikant in Pragrade, Adam 
Pribitschewitsch, verhaftet, der im Gefängnis einen Selbstmordversuch 
machte. Nach neuesten Äußerungen des Agramer Oberstaatsanwaltes 
wäre das Vorgehen der kroatischen Behörde nicht allein durch die 
Nastitsch’sche Broschüre, sondern durch andere bedenkliche Symptome 
veranlaßt worden. Jedenfalls bleibt Nastitsch als Belastungszeuge nach 
wie vor im Vordergrund. 
Die bisher Kompromittierten gehören der sogenannten kroatisch- 
serbischen Koalitionspartei an; Banus Rauch ist dadurch in die Lage 
versetzt, einen vernichtenden Schlag gegen diese ihm politisch äußerst 
unbequeme Partei zu führen und die kroatisch-serbische Koalition zu 
sprengen. 
Im Auswärtigen Amte erklärt man einstweilen, für eine Beteiligung 
des Königs Peter und des serbischen Kronprinzen an den Belgrader 
Machenschaften keine Beweise zu haben; dagegen scheine das frühere 
Kabinett Paschitsch und namentlich Paschitsch selbst stark kompro¬ 
mittiert. Im übrigen müsse der Verlauf des Agramer Prozesses abge¬ 
wartet werden. 
Die serbische Regierung hat inzwischen eine amtliche Erklärung 
veröffentlicht, in der jede Beziehung des königlichen Hofes und der 
Regierung zu Nastitsch kategorisch in Abrede gestellt wird. 
Das heutige „Vaterland“ will dazu aus Belgrader Hof kreisen vertrau¬ 
lich erfahren haben, daß König Peter beabsichtige, in einem an Kaiser 
Franz Joseph' gerichteten Handschreiben die Enthüllungen der Nastitsch- 
schen Broschüre als gänzlich haltlos zu bezeichnen und dem Kaiser 
die Versicherung vollkommener Loyalität seitens des serbischen Hofes 
zu geben. 
Br ockdorff-Rantzau. 
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