Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

rische Gesandte: „Ob meine Kollegen sich lächerlich machen, kann mir 
gleichgültig sein. Wenn sie aber zu der Erhaltung der Dynastie Kara- 
georgewitsch in Serbien beitragen, so kann das Österreich nur will¬ 
kommen sein. Eine Demonstration wie die des russisch-italienischen 
Gesandtentelegrammes kann, wenn wie bekannt wird, dem Ansehen der 
Krone in den Augen der Serben nur nützlich sein. 
Hieran anknüpfend kam mein österreichisch-ungarischer Kollege auf 
die Frage des Besuches des Königs von Serbien bei Seiner Majestät dem 
Kaiser Franz Joseph1 zu sprechen und sprach die Vermutung aus, daß 
nach Erledigung des serbisch-österreichisch-ungarischen Vertrages1) 
eine Anfrage nach Wien gerichtet werden würde. Diese würde auf 
eine starke Opposition stoßen, und er sei sich noch nicht im klaren 
darüber, ob die Annahme des Besuches um diese Zeit schon ein Gebot 
der politischen Notwendigkeit sei und deshalb seinem allergnädigsten 
Herrn zu empfehlen sein würde, wenn der Besuch allerhöchst demselben 
persönlich auch noch so peinlich wäre. 
M. Ratibor. 
Nr. 4з5. 
Der Geschäftsträger in Wien Graf Brockdorff- 
Rantzau an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.* 2) 
Ausfertigung. 
Nr. 201. Wien, den i4- August 1908. 
Im Königreiche (und vormaligen Fürstentum) Serbien hegte man 
von jeher großserbische Aspirationen, die zu den Machtver¬ 
haltnissen und finanziellen Kräften dieses Staates in starkem Mißver¬ 
hältnisse stehen. Bis zur Okkupation Bosniens und der Herzegowina 
durch Österreich-Ungarn rechnete man in Belgrad auf die Erwerbung 
der beiden Provinzen, und die damals in Serbien tonangebende national¬ 
liberale Partei mit ihrem Führer, dem unstreitig bedeutenden Jowan 
Ristitsch, nahm für Serbien die Rolle eines Piemont der Balkan- 
halbinselinAnspruch, dessen Cavour Ristitsch zu werden gedachte. 
Die Okkupation Bosniens und der Herzegowina war ein um so härterer 
Schlag für die Chauvinisten in Serbien, als hierzu noch die Errichtung 
*) Gemeint ist der im März 1908 zwischen Österreich-Ungarn und Serbien ab¬ 
geschlossene Handelsvertrag, der aber wegen parlamentarischer Schwierigkeiten nur 
provisorisch, erst bis Ende Dezember 1908, dann bis Ende März 1909, in Kraft trat. 
Näheres darüber bei Bärnreither, Unsere Handelsbeziehungen zu Serbien, Öster¬ 
reichische Rundschau, Bd. XXIX, S. 1 ff. 
2) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8919 S. 12—it\.
	        
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