Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

gen habe ich in dieser Beziehung ihn sehr unterstützt und Todorow hat 
Paris sehr befriedigt verlassen. 
Während die französische Regierung bei dem vorigen Versuche, eine 
Anleihe ,auf dem Pariser Markte abzuschließen, besondere Sicherheiten 
von Bulgarien verlangte, haben Poincare und Klotz jetzt den Banken in 
dieser Frage ganz freie Hand gelassen. Todorow hat diese kitzliche 
Frage offenbar ganz befriedigend gelöst. Es wurde weiter beschlossen, 
daß die Anleihe im Oktober ausgegeben wird, daß' aber schon vorher 
die Banken der bulgarischen Regierung die erforderlichen Vorschüsse 
geben werden. 
Am Tage vor seiner Abreise aus Paris hat Todorow mich besucht, um 
mir für die geleistete Unterstützung warm zu danken. Dabei hat er aus 
eigener Initiative die Lage im nahen Orient berührt und mir folgende 
Erwägungen vorgelegt, die mich durch ihre Wichtigkeit und Offenheit 
betroffen machten: 
Er ist überzeugt, und diese Ansicht wird auch von den anderen Mit¬ 
gliedern der bulgarischen Regierung geteilt, daß eine schnelle Beendi¬ 
gung des italienisch-türkischen Krieges ganz und gar nicht im Interesse 
Bulgariens Hege. Der gegenwärtige Streit dürfte letzten Endes die beiden 
Staaten außerordentiich schwächen, und beide gehören zu den Mächten, 
die grundsätzhch dem Slawentum und den slawischen Balkanstaaten 
feindhch sind. Die Führer aller politischen Parteien Bulgariens sind der 
Ansicht, eine ähnliche Konjunktur werde sich auf lange 
hinaus nicht wiederholen, und Bulgarien würde infolgedessen 
einen unverzeihHchen Fehler begehen, wenn es keinen Versuch unter¬ 
nähme, diese Gelegenheit zur Erreichung seiner historischen Ziele aus¬ 
zunutzen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die bulgarische Regierung 
gegen eine Konferenz zum Versuch, dem itahenisch-türkischen Konflikt 
ein Ende zu machen. Eine Konferenz werde erst notwendig sein, wenn 
die Ereignisse sich weiter entwickelt hätten und die Fragen auf getaucht 
sein würden, deren Lösung von Europa abhänge. 
Diese Haltung Bulgariens dem Kriege gegenüber braucht, nach To¬ 
dorow, in Rußland keine Unruhe zu erwecken. Die Regierung Geschows 
sei stark genug abwarten zu können, bis ein günstiger Augenblick sich 
biete. Die bulgarische Regierung erblicke ihre unmittelbare Aufgabe 
darin, einen Aktionsplan gemeinsam mit den anderen Balkanstaaten 
aufzustellen. Das Bündnis mit Serbien sei der erste Schritt in dieser 
Richtung. Augenblicklich müßten alle Anstrengungen gemacht werden, 
um zu erreichen, daß Rumänien sich nicht dem Vorgehen Bulgariens 
nach Süden widersetze, und Todorow glaubt, es werde möglich sein, um 
den Preis einer Grenzberichtigung bei SiKstria zu diesem Ergebnis zu 
gelangen. 
Außerdem fänden in diesem Augenblick Besprechungen mit Griechen¬ 
land statt, die höchstwahrscheinlich zu einer Vereinigung der Interessen
	        
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