Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Falle eines allgemeinen Zusammenstoßes eine günstige Wendung näh¬ 
men. In den folgenden Unterredungen habe ich Danew in dieser Be¬ 
ziehung etwas ruhiger gefunden. 
Was die unmittelbaren russisch-bulgarischen Beziehungen anlangt, 
speziell den Abschluß einer Militärkonvention zwischen Rußland und 
Bulgarien, so versuchte Danew mich davon zu überzeugen, wie wün¬ 
schenswert es sei, das Wilajet von Adrianopel in die Bulgarien überlassene 
Interessensphäre mit einzubeziehen. Ich erwiderte, daß Adrianopel nicht 
zum Gebiet Bulgariens, wie es im Vertrage von San Stefano umgrenzt 
worden wäre, gehöre, und daß außerdem im Falle der Verwirklichung 
der bulgarischen nationalen Bestrebungen Adrianopel seine jetzige Be¬ 
deutung eines türkischen Vorpostens verlieren werde, da in diesem Falle 
die Türkei selbst zu einer Macht zweiten Ranges herabsinken werde. 
Sodann bat Danew, wir sollten möglichst bald unsere Zustimmung ?ur 
Abänderung der Kapitulationen geben, wobei es zu wünschen wäre, daß 
Österreich uns in dieser Frage nicht zuvorkomme. Ich habe mich einer 
bestimmten Antwort enthalten und nur angedeutet, daß eine günstige 
Lösung dieser Frage teilweise von Bulgarien selbst abhinge. 
Ferner hat Danew verlangt, wir möchten den Abschluß eines Zoll¬ 
bundes mit Serbien fördern, desgleichen einen engen kameradschaft¬ 
lichen Verkehr zwischen den Offizieren der russischen und bulgarischen 
Armee zulassen. Ich habe die Erfüllung dieser beiden Wünsche in Aus¬ 
sicht gestellt. Danew beklagte sich über die angebliche Unaufrichtigkeit 
französischer Regierungs- und Finanzkreise in der Frage einer großen 
bulgarischen Anleihe in Paris. Ich habe versprochen, die bulgarischen 
Bestrebungen durch unseren Botschafter in Paris unterstützen zu lassen, 
und seitdem haben in der Tat die Erklärungen Iswolskis günstige Re¬ 
sultate für Bulgarien gezeitigt. Sodann besprachen wir die Beziehungen 
Bulgariens zu den andern Balkanstaaten. Hinsichtlich Rumäniens be¬ 
tonte Danew mit Unwillen, daß alle Versuche, die gegenseitigen Be¬ 
ziehungen vertrauensvoller und freundschaftlicher zu gestalten, erfolglos 
geblieben seien, und daß Bulgarien zu zweifeln anfange, ob es je möglich 
sein werde, ein solches Resultat zu erzielen. Immerhin würden zwischen 
beiden Königreichen Verhandlungen in der speziellen Frage der Donau¬ 
schiffahrt geführt, um zu versuchen, den beständigen österreichischen 
Einmischungen vorzubeugen. Übrigens erwähnte Danew, daß Österreich 
bereit sei, einen bulgarischen Vertreter in der Donaukommission zuzu¬ 
lassen, der Zulassung eines serbischen Vertreters jedoch seine Einwilli¬ 
gung verweigere. 
Mit Griechenland führe Bulgarien schon seit einiger Zeit Verhandlun¬ 
gen über den Abschluß eines defensiven Bündnisses, welches sich jedoch 
nicht auf die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen Griechenland und der 
Türkei Kretas wegen beziehe. Danew gab zu, daß es außerordentlich 
schwer sei, eine Einigung in der Frage der Abgrenzung der gegen¬ 
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