Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

liehen Regierung zu überreichen. Geschoff sagte, daß das auch sein und 
seiner Partei Wunsch sei. Zum Vermittler der streng vertraulichen Briefe 
ist auf den Wunsch Geschoffs der serbische Gesandte in Sofia, Spalaiko- 
vvitsch, ausersehen. Eine vorzügliche Wahl. Während der Unterhaltung 
versuchte Milowanowitsch auf jede Art festzustellen, ob sich hinter der 
unerwarteten Bereitwilligkeit des Königs Ferdinand zur Verständigung 
nicht eine in Wien ausgearbeitete Falle verbirgt; er fand aber hierfür 
nicht den geringsten Anhaltspunkt. Geschoff behandelte die Angelegen¬ 
heit offensichtlich mit voller Aufrichtigkeit, ohne zu verbergen, daß Bul¬ 
garien vor allem heimliche Anschläge von rumänischer Seite fürchtet. 
Unter dem Eindruck seines kürzlichen Besuches in Bukarest bemühte 
sich Milowanowitsch, Geschoff zu beruhigen und darauf hinzuweisen, 
daß das serbisch-bulgarische Abkommen die beste Garantie auch gegen 
Anschläge dieser Mächte sei. Zwecks Berichterstattung über 
das oben Dargelegte erschien Milowanowitsch bei mir in Begleitung Pa- 
schitschs, welcher als Führer der herrschenden radikalen Partei die vor¬ 
bereitenden Besprechungen des Ministerpräsidenten mit Geschoff gut¬ 
hieß. Die Zusammenkunft dieser beiden ist vollständiges Geheimnis ge¬ 
blieben. 
Hartwig. 
Nr. 53i. 
Der russische Geschäftsträger Obnorski, Cetinje, 
an das Ministerium des Äußern in Petersburg.1) 
Nr. i45. Cetinje, den i./i4. Oktober 1911. 
Nach der vor einigen Tagen erfolgten Rückkehr aus Antivari, berief 
mich König Nikolaus ins Schloß und eröffnete mir, daß er nach einer 
Woche mit seinen Truppen im Sandschak einrücken werde und daß sich 
dann alle Ratschläge von seiten Rußlands erübrigen würden. Ich er¬ 
widerte Seiner Majestät, daß mir diese Erklärung vollkommen unver¬ 
einbar erscheine mit den fortgesetzten Vorstellungen seitens der kaiser¬ 
lichen Regierung über die Notwendigkeit für Montenegro, sich jeder 
selbständigen Aktion gegen die Türkei zu enthalten, und besonders im 
Hinblick auf die kategorische Versicherung, sich nicht in den türkisch- 
italienischen Krieg einmischen zu wollen, die in Abwesenheit des Königs 
in dessen Namen der Außenminister Gregowitsch mir gegenüber abge¬ 
geben habe. Ich fügte hinzu, daß ein solcher Schritt auf jeden Fall 
eine überaus energische Verurteilung und Ablehnung von seiten aller 
Mächte und insonderheit von Rußland erfahren würde. Der König 
schwieg eine Minute und sagte mir dann plötzlich, daß er nur gescherzt 
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 3i „Kriegsschuldfrage“ a. a. O. S. 797.
	        
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