Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

gewaltsame Aneignung Mazedoniens durch Bulgarien und der Ein¬ 
marsch österreichisch-ungarischer Truppen in den Sandschak Novibazar. 
Bei der gegenwärtigen so komplizierten Lage ist es jedoch schwer zu 
sagen, welcher von den drei Fällen der wahrscheinlichere ist. 
Darüber kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß in allen drei Fällen 
das serbische Heer genötigt sein wird, die Grenze zu überschreiten. 
Hartwig. 
Nr. 53o. 
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, 
an das Ministerium des Äußern in Petersburgi1) 
Nr. i58. Belgrad, den i./i 4. Oktober 1911. 
Die von mir in meinem Telegramm Nr. i55* 2) gemeldete Durchreise 
des bulgarischen Ministerpräsidenten durch Belgrad ohne vorherige Be¬ 
nachrichtigung, die auch Milowanowitsch erstaunt hat, erwies sich als 
eine wohlüberlegte Vorsicht Geschoffs, der zur Ablenkung der Aufmerk¬ 
samkeit irgendeinen Bulgaren unter seinem Namen vorausfahren ließ. 
Geschoff selbst traf unter strengem Inkognito am nächsten Tage in 
Belgrad ein und fuhr mit dem von ihm verständigten Milowanowitsch 
bis zur Station Jagodina, wobei sie sich über die serbisch-bulgarische 
Verständigung unterhalten haben. Milowanowitsch hat den besten Ein¬ 
druck empfangen3). 
Dieses Mal haben die Bulgaren augenscheinlich die dringende Not¬ 
wendigkeit erkannt, mit Serbien Hand in Hand zu gehen. Geschow ver¬ 
sicherte, daß nunmehr auch König Ferdinand zu dieser Überzeugung 
gelangt ist. Die beiden Minister haben in großen Zügen die Grund¬ 
bedingungen des Abkommens skizziert, das den Charakter eines De¬ 
fensiv- und Offensivbündnisses tragen wird. Defensiv — beim Über¬ 
fall irgendeiner Macht auf einen der vertragschließenden Teile, offen¬ 
siv bei Entstehen von Verwicklungen auf dem Balkan, die ihre In¬ 
teressen unmittelbar berühren. Was die Abgrenzung der Interessen¬ 
sphären anbetrifft, so verzichten die Serben im voraus auf irgendwelche 
Ansprüche im Wilajet von Saloniki; die Bulgaren auf das Wilajet 
von Skutari und den nördlich Schar-Planina gelegenen Teil von Uesküb. 
Die strittigen Einzelheiten werden dem Schiedsspruch Rußlands unter¬ 
breitet. Milowanowitsch verwies ausdrücklich auf die Notwendigkeit, 
die Verhandlungen unter der ständigen Aufsicht Rußlands 
zu führen und ein drittes Exemplar des Vertrages offiziell der kaiser¬ 
x) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 3o. Übersetzung in der „Kriegsschuldfrage“ 1925, 
S.795. 
2) Telegramm Nr. i55 fehlt in den Akten. 
3) Über die Besprechung Geschows mit Milowanowitsch cfr. das Buch von I. E. Ge¬ 
schow „Der Balkanbund“ Seite i4, Ausgabe 1915.
	        
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