in übereinstimmender Weise geäußert hat, und die Möglichkeit, ja sogar
die Wahrscheinlichkeit eines Umsturzes in der Türkei prognostizierte.
Was hätte in einem solchen Falle der Umsturz des neugeschaffenen
Regimes in Konstantinopel anderes als die vollkommene Anarchie auf
der ganzen Balkanhalbinsel zu bedeuten?
Für Serbien, wie auch teilweise für die anderen kleinen Staaten ergab
sich von selbst das schwer zu lösende Dilemma: Soll man im Gegensätze
zu den schrecklichen Vorzeichen sich ab wartend verhalten und es da¬
durch darauf ankommen lassen, von den Ereignissen überrascht zu
werden? Oder soll man vielmehr die unumgänglich erforderlich erschei¬
nenden Maßnahmen treffen, die zur Wahrung der eigenen Interessen
nötig erscheinen und auf diese Art einen günstigen Vorwand für den
betreffenden Staat zum Einschreiten suchen, zwecks Wiederherstellung
des gestörten Status quo auf der Balkanhalbinsel.
Die hier erhaltenen Nachrichten über das Bestreben der Großmächte,
alles in ihrer Macht Liegende zu tun, um die militärischen Operationen
zu lokalisieren, haben die Besorgnisse der Belgrader Regierung zerstreut
und haben auf die politischen Kreise und die öffentliche Meinung
günstig gewirkt.
Gleichzeitig habe ich die mir im Telegramme Euerer Exzellenz über¬
mittelten Nachrichten aus Cetinje, Athen und Sofia dazu benützt, um
anläßlich einer Audienz bei König Peter seinen pessimistischen An¬
sichten entgegenzutreten.
Der feste Entschluß der serbischen Regierung, die Ruhe und den
Frieden auf der Balkanhalbinsel nicht zu stören, ruft in oppositionellen
Kreisen äußersten Unmut hervor, und es werden Stimmen laut, die die
Mobilisierung der Armee dringend verlangen. Die österreichisch-freund¬
lich gesinnte Presse überhäuft die Minister mit Vorwürfen, insbesondere
Milowanowitsch, den sie scharf angreift, indem sie ihn der Feigheit,
Sorglosigkeit und Kurzsichtigkeit bezichtigt, einer Kurzsichtigkeit, die
der Minister des Äußeren bereits anläßlich der Annexionskrise zur Ge¬
nüge bewiesen hat. Nach der Ansicht dieser Blätter bereitet sich gegen
Serbien ein neuer Schlag, nämlich die Wiederbesetzung des Sandschaks
durch Österreich-Ungarn vor.
Man ist jedoch an diese Hetze der österreichischen provokatorischen
Agenten schon seit langem gewöhnt, und dieselbe macht deshalb keinen
besonderen Eindruck.
Dennoch wäre es unrichtig zu glauben, daß sich die Aufregung in
Serbien bereits gelegt hat, was auch schon aus diesem Grunde nicht der
Fall sein kann, weil die Gefahr tatsächlich noch nicht vorüber ist, was
täglich durch Dutzende von einlaufenden Telegrammen bewiesen wird.
Für Serbien besteht, wie ich bereits des öfteren zu berichten die Ehre
hatte, eine dreifache Gefahr: Ein Aufstand im Wilajet Kossovo, die