Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Grafen Bosdari, daß die bulgarische Regierung die tripolitanische Frage 
als außerhalb ihres Interessenkreises liegend betrachte, und daß in dem 
Verhältnis Bulgariens zur Türkei gegenwärtig keine Änderung eintrete. 
Below. 
Nr. 5a4. 
Der russische Gesandte Hartwig, Belgrad, 
an das Ministerium des Äußern in Petersburg. *) 
^ . , , 18. September 
Be,grad’den i. Oktober I911’ 
Ohne Nummer. 
Wegen der Verschärfung der Tripolisfrage hatte ich gestern eine 
längere Unterredung mit Milowanowitsch2), welcher, beunruhigt durch 
das italienische Ultimatum, sich über dasselbe bei mir erkundigte und 
seine Befürchtung über neue Verwicklungen auf dem Balkan aussprach. 
Ich bemühte mich in Übereinstimmung mit dem Zirkulartelegramm 
Euerer Exzellenz diese Befürchtungen des Ministers zu zerstreuen, indem 
ich darauf hin wies, daß die Erhaltung des Friedens auf dem Balkan 
von den slawischen Staaten selbst abhänge, für deren Interessen der 
türkisch-italienische Konflikt keine Bedrohung bedeute. 
Milowanowitsch gab mir bezüglich der Haltung Serbiens vollkommen 
beruhigende Versicherungen. 
Was meine Ansicht betrifft, so unterliegt es keinem Zweifel, daß 
Serbien prompt allen Weisungen der kaiserlichen Regie¬ 
rung folgen wird, bis zur äußersten Möglichkeit Ruhe zu wahren 
und von seiner Seite braucht man am wenigsten ein aktives Hervor¬ 
treten zu befürchten, denn es braucht Frieden und hat es auch vorläufig 
nötig, gute Beziehungen zur Türkei zu unterhalten. Wie ich aber mehr¬ 
mals mitgeteilt habe, wird keine serbische Regierung beim Eintreten fol¬ 
gender Ereignisse das Volk zurückzuhalten in der Lage sein: 
a) Im Falle der Besetzung Mazedoniens durch die Bulgaren, b) Im 
Falle eines Aufstandes und des Aufloderns des Fanatismus im Wilajet 
Kossowo, c) Im Falle des Einrückens österreichischer Truppen in den 
Sandschak. 
Die letztere Eventualität befürchtet die serbische Regierung am mei¬ 
sten, und eine solche Furcht vor einer Aktion Österreichs unter dem 
Vorwände der Erhaltung des status quo auf dem Balkan ist nicht ohne 
Grund. Heute morgen besuchte mich Paschitsch, der die Befürchtungen 
und Versicherungen Milowanowitschs bestätigte. Er erinnerte daran, daß 
Österreich während der albanischen Unruhen verschiedene militärische 
*) Krassny Archiv Tom. VIII, S. 17. 
*) Damals Ministerpräsident und gleichzeitig Minister des Äußern. 
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