Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

besseres Verhältnis nicht nur zum Königreiche Serbien, sondern auch 
zum Serben tum überhaupt anstrebt, und daß er die serbophoben Velle¬ 
ità ten weder in Agram noch auch in Sarajewo vollständig zu billigen 
scheint. Und daß in den serbisch-bulgarischen Relationen ein Um¬ 
schwung zum Besseren initiiert wurde und in wirksamster Ausgestal¬ 
tung begriffen ist, läßt sich schon sozusagen mit den Händen greifen 
und hat bereits aufgehört, ein diplomatisches Geheimnis zu sein. 
Der Angelpunkt in dem Verhältnis zwischen Serbien und Bulgarien 
liegt in der mazedonischen Frage, und hier befindet sich auch die 
Hauptschwierigkeit, die überwunden werden muß. Es handelt sich 
darum, zu einer loyalen Verständigung darüber zu gelangen, was in 
Mazedonien serbisch und was bulgarisch ist, und daß jeder Teil seine 
nationale Propaganda aus der Sphäre zurückzieht, die nicht als die 
seine deklariert wurde. 
Es sind schon wiederholt Versuche gemacht worden, ein Einver¬ 
ständnis betreffs der Abgrenzung der nationalen Sphäre in Mazedonien 
zwischen Serben und Bulgaren herbeizuführen. Aber diese Versuche 
scheiterten, teils an der chauvinistischen Unnachgiebigkeit, welche auf 
beiden Seiten herrschte, und teils weil die mazedonische Frage das 
Terrain bildete, auf welchem die meisten europäischen Mächte gegen¬ 
einander manövrierten. 
Jetzt aber hat die serbische Regierung einen neuen Verständigungs¬ 
vorschlag betreffs Mazedoniens in Sofia vorgelegt, welcher nach der 
Versicherung kompetenter Personen große Chancen dafür bieten soll, 
daß man nach Vornahme einiger Amendierungen schließlich doch zu 
einer Einigung über die so lange vergeblich gesuchte Demarkations¬ 
linie zwischen diesen beiden slawischen Nationalitäten Mazedoniens ge¬ 
langen wird. 
Es versteht sich von selbst, daß alle diese Bemühungen von unserer 
Diplomatie mit ihrem ganzen Einflüsse in der nachdrücklichsten Weise 
unterstützt werden, und man kann daher nicht ohne eine gewisse Be¬ 
rechtigung auf ein völliges Reüssieren derselben hoffen.“ 
von Tschirschky. 
Nr. 5io. 
Der Botschafter in Ronstantinopel Freiherr von Mar¬ 
schall an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg. 
Entzifferung. 
Nr. 36o. Pera, den 4« Dezember 1909. 
Vor einigen Tagen hat der erste Dragoman der russischen Botschaft, 
Herr Mandelstam, im Cercle d’Orient, dem vornehmsten Klub der
	        
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