Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

zu führen, da sie kein Geheimnis wahrten und alles nach Wien mit¬ 
teilten. Seine Majestät gab auch seiner Hoffnung Ausdruck, daß ich 
zur Schlichtung aller Mißverständnisse zwischen Serbien und Bulgarien 
hierselbst beitragen werde. Ich sagte darauf, daß dies eine der 
wichtigsten mir von der kaiserlichen Regierung gestell¬ 
ten Aufgaben sei. Zum Schluß beauftragte mich der König, ihn 
Euerer Exzellenz zu empfehlen, wobei er hinzufügte, daß er sich hier 
im Sinne seines letzten Gesprächs mit Ihnen während seines Aufent¬ 
haltes in Petersburg ausgesprochen hätte. 
Hartwig. 
Nr. 5o8. 
Der Botschafter in Kontantinopel Freiherr von Mar¬ 
schall an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.1) 
Entzifferung. 
Nr. 354. Pera, den 27. November 1909. 
Der serbische Gesandte Herr Nenadowitsch, der mich gestern be¬ 
suchte, sprach mir unter Hinweis auf die heute in der türkischen Kam- 
ser stattfindende Interpellation über die gegenwärtigen serbisch-bul¬ 
garischen Beziehungen und die Aussicht eines Balkanbundes. Die Be¬ 
ziehungen zwischen beiden Ländern hätten, nachdem Rußland einen 
bezüglichen Wunsch*) ausgesprochen, sich etwas gebessert, dagegen 
stehe die mazedonische Frage mit den daraus entspringenden Divergenzen 
einer intimeren Gestaltung derselben dauernd entgegen. Was den Balkan¬ 
bund betreffe, den Rußland anstrebe, so könne sich Serbien an einem 
solchen nur unter der Voraussetzung beteiligen, daß dieser nicht 
gegen die Türkei gerichtet sei, die Türkei vielmehr daran teil¬ 
nehme**). In diesem Sinne scheine nach den in Belgrad abgegebenen Er¬ 
klärungen auch Rußland den Bund aufzufassen. Dagegen bestehe kein 
Zweifel, daß Bulgarien umgekehrt an dem Balkanbund nur dann ein 
Interesse habe, wenn derselbe ohne und gegen die Türkei geschlossen 
werde. Bei einem Balkanbund mit solchen Tendenzen würde Serbien 
lediglich die Rückendeckung für Bulgarien bilden, damit dieses un¬ 
gehindert seine großen bulgarischen Pläne durchführen könne. Zu einer 
solchen Rolle könne man sich serbischerseits nicht hergeben. Besser 
sei die Erhaltung des status quo als die Schaffung eines großen Bul- 
Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.: 
*) Der Rat zum Bund. 1 
**) Gegen Österreich. 1 I 
x) Die Große Politik Bd. 27 (I. Hälfte), Nr. g734, S. i65.
	        
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