Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

finden wir, daß die russische Regierung, ohne sich in die inneren An¬ 
gelegenheiten des Königreichs einmischen zu wollen, das Recht hat zu 
verlangen, daß Bulgarien, dem Rußland soeben einen so wichtigen 
Dienst erwiesen hat, größere Offenheit an den Tag legt. 
Wir erwarten Ihren ausführlichen Bericht über den Inhalt Ihrer 
Unterredung mit dem Minister und über den von Ihnen hierbei ge¬ 
wonnenen Eindruck. I s w o 1 s k i. 
Nr. 498. 
Der Erste Sekretär bei der Botschaft in Wien 
Graf Brockdorff-Rantzau an den Reichskanzler 
von Bethmann Holl weg. *) 
Ausfertigung. 
Nr. 3o8. Wien, den 11. September 1909. 
Der Gewährsmann der kaiserlichen Botschaft hat Einsicht in das 
Resümee einer vertraulichen Note erhalten, die der serbische Minister 
des Äußern Dr. Milowanowitsch anläßlich seiner Wiederübernahme 
der Geschäfte an die serbischen Missionen im Auslande gerichtet hat. 
In dieser Note wird, meinem Gewährsmann zufolge, im wesentlichen 
nachstehendes ausgeführt: 
Die auswärtige Politik Serbiens steht vor großen und ernsten Auf¬ 
gaben. Die momentane Ruhe darf nicht über den Ernst der inter¬ 
nationalen Lage täuschen, und insbesondere darf man sich in Serbien 
keiner Täuschung darüber hingeben, daß der ganze Komplex der 
Balkan- und Orientfragen in Bewegung geraten ist, und daß sich Serbien 
mit seinen schwachen Kräften angesichts einer Situation befindet, die 
alle seine Interessen und sogar seine Existenz berührt, und durch die 
es gezwungen wird, vor keinen Anstrengungen und vor keinen Opfern 
zurückzuschrecken. 
Der Staatsstreich der Jungtürken, die Annexion Bosniens und der 
Herzegowina, die Souveränitätserklärung Bulgariens, die Rebellion der 
Albanesen, die Gärung in Mazedonien, das Aufwerfen der kretischen 
Frage sowie der Dardanellenfrage, die Lancierung der Balkanföde¬ 
ration auf der einen Seite und des österreichischen Trialismus auf der 
anderen Seite — alle diese Erscheinungen sind ausnahmslos lauter Sym¬ 
ptome. die in ganz unzweideutiger Weise erkennen lassen, daß das 
ßalkanproblem eine Lösung fordert, und daß es ein wahrhaft verbreche¬ 
rischer Optimismus von Serbien wäre, wenn es sich der Illusion hin¬ 
geben wollte, daß die Gefahr einer gegen das Königreich gerichteten 
Lösung des Balkan- und Orientproblems nicht vorhanden ist. 
1) Die Große Politik Bd.27 (I. Hälfte), Nr. 9781, S.161. 
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