Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

rungsübernahme durch Baron Aehrenthal, gewannen die Beziehungen 
Bulgariens zu Österreich-Ungarn an Herzlichkeit. 
Die türkische Julirevolution brachte im Grunde genommen keine Än¬ 
derung in den serbisch-bulgarischen Beziehungen, doch verloren diese 
ihre Schärfe und nahmen einen kühl-korrekten Charakter an. Das kon¬ 
stitutionelle Regime in der Türkei und die lokalen Ereignisse (Ergebung 
der Banden, Verbrüderung der Nationalitäten) veränderten das Bild der 
mazedonischen Frage; die Beziehungen Bulgariens zu Österreich be¬ 
hielten ihren Charakter, und das ist wichtig. Die Ereignisse des ver¬ 
gangenen Herbstes haben sogar bewiesen, daß diese Beziehungen noch 
enger geworden sind. Das österreichisch-bulgarische Zusammengehen, 
das sich bei der Unabhängigkeitserklärung Bulgariens und der Annexion 
Bosniens offenbart hatte, war keine Improvisation, sondern stellte das 
Ergebnis einer zweijährigen von Bulgarien sowie von Österreich-Ungarn 
geleisteten Arbeit dar. 
2. 
Serbien, das immer viel Sympathie für die Frage der bulgarischen 
Unabhängigkeit hatte, ergriff, indem es auf alles, was sich zwischen ihm 
und Bulgarien ereignet hatte, den Schleier der Vergessenheit warf, so¬ 
gleich nach den letzten Aprilunruhen in Konstantinopel die Initiative 
zu einem Abkommen mit Bulgarien für den Fall, daß die Unruhen den 
Status quo gefährden sollten. Die serbischen Demarchen wurden auf 
diplomatischem Wege, als auch durch die Presse gemacht, und diese 
Arbeit stellte den Hauptgegenstand des vertraulichen Schriftwechsels 
zwischen den Belgrader Ministern und der serbischen Gesandtschaft in 
Sofia während der letzten drei Monate dar. Diese Korrespondenz zeigt 
jedoch klar, daß die bulgarischen offiziellen Kreise sich mit der bloßen 
Entgegennahme der Erklärungen begnügt haben und ihrerseits auch 
nicht das geringste Zeichen eines guten Willens zu einer, sei es wirt¬ 
schaftlichen, sei es politischen Annäherung gaben. Dazu einige Beispiele: 
Gelegentlich einer Unterredung, die Paprikow während des Aufent¬ 
haltes des Königs Ferdinand in Wien (der das Gerücht von einer ge¬ 
meinsamen österreichisch-bulgarischen Aktion hervorrief) mit dem ser¬ 
bischen Minister führte, erklärte der erstere, daß die Ententen zwischen 
den Balkanstaaten wenig praktische, unausführbare und sogar gefähr¬ 
liche Wünsche darstellen. 
Als Antwort auf einen Artikel der „Samouprawa“ (offiziöses ser¬ 
bisches Organ), der von der Notwendigkeit einer serbisch-bulgarischen 
Entente sprach, veröffentlichte das offiziöse bulgarische Blatt „Pre- 
poretz“ einen Artikel, dessen Ton und ungenaue wie illoyale Argumen¬ 
tation die feindliche Stimmung gegen Serbien kundtat. In diesem Ar¬ 
tikel wurde offen erklärt, daß das einzige Hindernis für eine serbisch- 
bulgarische Entente die serbische Politik in Mazedonien sei, daß Serbien 
auf Mazedonien verzichten müsse, und daß die serbische Politik eine 
7 Boghitscbewitsch, Serbien II 
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