Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

garische Regierung das Geheimabkommen, demzufolge der alte serbisch- 
bulgarische Handelsvertrag von 1897 bis zum Abschluß eines defin- 
tiven Handelsvertrages in Kraft bleiben sollte. Dieser Entschluß der 
bulgarischen Regierung hatte einen derart starken Rückgang der ser¬ 
bischen Ausfuhr nach Bulgarien (1907) und des Transits durch Burgas 
und Varna zur Folge, daß die Serbien im Jahre 1906 gewährten Er¬ 
leichterungen illusorisch wurden. Zur gleichen Zeit begannen in der 
bulgarischen Presse die Angriffe gegen Serbien und seine mazedonische 
Politik. Das bulgarische Pressebüro kolportierte alle Erfindungen, die 
die Wiener Presse über Serbien und sein königliches Haus verbreitete, 
indem es die öffentliche Meinung Bulgariens auf diese Weise gegen 
Serbien aufreizte. Der Vorfall der Lehrerin Minka Naumow (Frühjahr 
1907), auf gebauscht und ausgebeutet, hatte die öffentliche Meinung 
Bulgariens im höchsten Grade erregt; der Kriegsminister General Sawow 
drohte Serbien in einem Gespräch mit dem italienischen Militärattach6 
sogar mit dem Kriege. Zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen 
kam es aber nicht, obwohl die Angriffe gegen Serbien im Mai und Juni 
ihren Höhepunkt erreicht hatten. Als sich die Angriffe in der zweiten 
Jahreshälfte etwas gelegt hatten, wurde die feindliche Stimmung an¬ 
dauernd durch tendenziöse Nachrichten über die serbischen Banden in 
Mazedonien und die Massenausweisung serbischer Arbeiter aus Bulgarien 
genährt. 
Die zu Anfang 1908 erfolgte Regierungsübernahme durch die Demo¬ 
kraten zeichnete sich durch keinerlei Besserung der serbisch-bulgarischen 
Beziehungen aus, da diese den Stambulowisten als ausgesprochene, den 
Serben feindliche Nationalisten folgten. Die Demokraten verliehen ihrer 
feindlichen Stimmung einen noch schärferen Charakter. Eine Reihe 
von vollkommen erfundenen Dingen — der Leichentransport des Gene¬ 
rals Petrov, die geisteskranke Lehrerin Iliewa, die Angriffe auf die 
Militärmagazine, die Vergiftung des Wassers in den Wasserleitungen 
Sofias, die serbische Propaganda in Mazedonien — alle diese Dinge dien¬ 
ten als Mittel, um einen Sturm von Angriffen gegen Serbien, wie dies 
im Jahre 1907 der Fall war, hervorzurufen; selbst der bulgarische 
Außenminister enthielt sich nicht offener Drohungen. 
Die Mißstimmung Bulgariens gegen Serbien hat gleichviel, welches 
die Motive sind, die dafür angeführt werden, nur den einen Grund: Die 
Bulgaren wissen, daß Serbien das einzige Hindernis für ihre These, die 
mazedonische Frage sei eine ausschließlich bulgarische Frage, bildet. 
Je mehr das serbische Element seine Lebenskraft beweist, desto mehr 
wächst die Erregung der Bulgaren. 
Während sich die gespannten Beziehungen auf diese Weise durch 
derartige unsinnige und unbegründete Angriffe kundtaten, erhielt die 
austrophile Tendenz der bulgarischen Außenpolitik einen immer ent¬ 
schiedeneren Charakter. In dieser Epoche, besonders nach der Regie¬
	        
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