Nr. 490.
Bericht des russischen Gesandten in Belgrad
an den russischen Außenminister.
Belgrad, den i4./27- April 1909.
Nr. 34.
Die serbischen Sympathien für Bulgarien treten seit der Beendigung
des serbisch-österreichischen Konfliktes immer stärker zutage. Die.
Presse spricht immer lauter von der Notwendigkeit einer Annäherung
der beiden Länder auf der Grundlage der allgemeinen slawischen In¬
teressen. Dieser Standpunkt wird auch von der serbischen Regierung
geteilt. Die Eröffnungen, die in diesem Sinne von dem bulgarischen
Vertreter in Belgrad gemacht worden sind, sind sehr beifällig auf genom¬
men worden. Trotzdem haben die schon begonnenen Verhandlungen
noch zu keinem positiven Resultat geführt — nicht einmal der Umriß
eines Abkommens zwischen den beiden slawischen Staaten ist festge¬
stellt worden. Es wäre am natürlichsten, das frühere Abkommen als
Grundlage zu benutzen, welches schon vollkommen ausgearbeitet war,
schließlich aber infolge österreichischer Einwirkung nicht durchgeführt
wurde. Auf alle Fälle erscheint es wünschenswert, die Annäherung
ganz allmählich durchzuführen, indem man jetzt mit weniger wichtigen
Fragen anfängt, z. B. der Verbesserung der Eisenbahnverbindungen,
der Geldeinheit usw. Fragen politischer Art würden die ersten Ver¬
handlungen erschweren und das endgültige Resultat unnötigerweise in
Frage stellen.
Aus meinen Unterredungen mit Milowanowitsch ersehe ich, daß die
serbische Regierung befürchtet, daß man bei den Verhandlungen ge¬
fährliche und schwierige Besprechungen über Mazedonien und die dort
herrschende Feindschaft zwischen serbischen und bulgarischen Elemen¬
ten nicht wird vermeiden können.
Der Außenminister versicherte mir jedoch, daß den serbischen Kon¬
suln in Mazedonien der Befehl gegeben worden ist, sich jeder Ein¬
mischung in die dortigen Unruhen zu enthalten und nötigenfalls im Ein¬
vernehmen mit den bulgarischen Agenten zu handeln.
Dieser Standpunkt der serbischen Regierung ist in der Erwägung
begründet, daß es augenblicklich unzweckmäßig wäre, in Mazedonien
nationale Fragen aufzuwerfen. Serbien hat die Absicht, sich aller aktiven
Maßnahmen zu enthalten. Das Kabinett Nowakowitsch will jetzt ganz
korrekt handeln.
Sergejew.
*) Benckendorff Bd. I, Nr. 73, S. io4.
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