Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Frage „kompromittiert“ seien1) und nicht freie Hand hätten. Eng¬ 
land und Frankreich hätten Österreich-Ungarn gefragt, welche Kon¬ 
zessionen es Serbien geben könne. Österreich-Ungarn habe nicht geant¬ 
wortet, da es ein Interventionsrecht Serbiens nicht aner¬ 
kenne. Aber Österreich-Ungarn habe früher seine Bereitwilligkeit er¬ 
klärt, Serbien gewisse wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen. Ich 
antwortete, daß wir alle den Wert österreichischer Versprechungen 
kennen (!?) und absolut reale Garantien brauchen. Im ferneren Ver¬ 
laufe der fast eine Stunde währenden Diskussion machte Hardinge be¬ 
züglich der Folgen, welche eine Unnachgiebigkeit Serbiens Öster¬ 
reich-Ungarn gegenüber nach sich ziehen könnte, folgende Unterschei¬ 
dung: Wenn Österreich-Ungarn, sagte er, uns angreifen sollte, werde 
Rußland wahrscheinlich intervenieren und dann sei ein allgemeiner 
Konflikt fast unvermeidlich, dessen Folgen vorherzusehen unmöglich 
sei. Wenn wir Österreich-Ungarn angriffen, würden wir allein bleiben 
und „verzehrt“ werden. In dem einen wie dem andern Falle, frage er 
sich, welche Vorteile könnten wir nach einem solchen Kriege erhoffen, 
und lohne es sich, soviel zu riskieren? Ich antwortete, daß für uns 
nicht Vorteile, sondern Lebensnotwendigkeiten i,nFrage 
ständen (!?). Für Österreich-Ungarn liege der Fall nicht so. Demge¬ 
mäß sollte man vielmehr die Frage so stellen, ob es besser sei, 
nachzugeben oder einen Krieg hervorzurufen, der auch 
sonst in näherer oder fernerer Zukunft unvermeidlich 
sei? Ich benutzte diesen Anlaß, um zu bemerken, daß im Falle eines 
gemeinsamen Schrittes der Mächte, von dem gesprochen werde, die ser¬ 
bische Regierung keine andere Versicherung werde abgeben können, als 
diejenige, welche sie schon abgegeben habe, und daß sie nicht voraus¬ 
setzen könne, daß man von ihr Abrüstung oder Preisgabe ihrer Forde¬ 
rungen verlangen könne. Hardinge erklärte schließlich, daß 
es besser wäre, sich in das Unvermeidliche zu schicken, 
andererseits sich aber vorzubereiten, sich zu organisie¬ 
ren und alle Kräfte für eine zukünftige bessere Gelegen¬ 
heit zu konzentrieren. Er empfahl die größte Behutsamkeit, indem 
er unsere korrekte Haltung in letzter Zeit anerkannte und versicherte, 
daß die englische Regierung bereit sei, uns in den Grenzen der Möglich¬ 
keit zu helfen. Ich gewann den Eindruck — obwohl dies Hardinge nicht 
ausdrücklich aussprach — daß man von uns den Verzicht auf 
die territorialen Kompensationsforderungen verlangen 
werde* 2). Bezüglich der Autonomie, sagte Hardinge, daß der Kaiser 
von Österreich bereits im Reskriptwege eine Art Autonomie zugesagt 
habe. Auch in der Presse tritt immer klarer die Ansicht hervor, daß 
Damit meint er in erster Linie Rußland, das durchj verschiedene Separatabkom¬ 
men mit Österreich, diesem Staate freie Hand bezüglich Bosniens gelassen^ hat. 
2) Dagegen bat die serbische Regierung bei den Großmächten protestiert. 
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