Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Grey Herrn Milowanowitsch seine Unterstützung versprochen hat, so¬ 
lange Rußland Serbien unterstützen werde. Sobald Rußland nachgebe, 
werde auch England nachgeben müssen. Ich antwortete, daß mir 
über die Stimmung Rußlands bezüglich unserer konkreten Forderungen 
nichts bekannt sei und fragte, welches diese Forderungen wären, deren 
Aufstellung sinnlos sei. Harding erwiderte nicht direkt, son¬ 
dern sagte nur im allgemeinen, ich wüßte schon, was er 
meine. Darauf bemerkte ich, daß wir in eine schwere Lage versetzt 
würden, denn es werde uns anscheinend nicht einmal die Möglichkeit 
einer Diskussion gewährt. Auf der einen Seite rate man uns, daß 
Memorandum nicht zu überreichen wegen seiner übertriebenen Forde¬ 
rungen, und auf der anderen Seite gehe man einer Diskussion über 
diese Forderungen aus dem Wege mit der Begründung, daß wir sie 
nicht offiziell vorgebracht hätten, wie dies Grey mir gegenüber getan 
habe. Indessen sollte man meinen, daß es jetzt an der Zeit sei, sich klar 
und offen hierüber auszusprechen. Hardinge erklärte darauf, er willige 
ein, mit mir zu diskutieren, und zwar ganz persönlich und aufrichtig, 
indem er von unserer amtlichen Stellung absehe und er bitte mich, ihm 
aufrichtig zu antworten, ob ich persönlich glaube, daß Öster¬ 
reich-Ungarn jemals einwilligen würde, uns ohne Krieg 
das zu gewähren, was wir verlangen. Er sei überzeugt, daß 
Österreich-Ungarn dies nicht tun werde. Ich antwortete ihm, daß, wenn 
es nur von Österreich abhinge, wir es meiner Meinung nach nicht er¬ 
halten würden, aber es hänge dies doch nicht allein von Österreich ab. 
Wir verlangten nichts von Österreich-Ungarn, sondern von den Mäch¬ 
ten. Österreich-Ungarn könnte uns auch gar nicht das geben, was wir 
fordern, denn unsere Forderungen beträfen Provinzen, die Österreich gar 
nicht gehören1). Österreich möchte die Welt irreführen und die Sache 
so darstellen, als ob ein österreich-serbischer Konflikt vorliege. Das sei 
jedoch nicht richtig1 2). Es bestehe ein Streit, der hervorgerufen sei 
durch die Schuld Österreich-Ungarns und den Europa abzuurteilen 
habe. Wir meldeten uns als beschädigter Teilnehmer neben der Türkei 
und neben den Signatarmächten selbst, deren Rechte Österreich-Ungarn 
verletzt habe (!?). In jedem Falle, möge es einen Krieg geben oder 
nicht, möge es zu einer Konferenz kommen oder nicht, so werde und 
müsse das endgültige Schicksal Bosniens von den Mächten entschieden 
werden und nicht von Österreich-Ungarn. Hardinge entgegnete, das alles 
sei richtig, aber man müsse auch der Stimmung der Mächte, welche 
keinen Krieg wollten, sowie der Stimmung Österreich-Ungarns Rech¬ 
nung tragen. Man dürfe auch nicht vergessen, daß es Mächte gebe — 
England gehöre nicht zu ihnen —, die in der bosnisch-herzegowinischen 
1) Vom rein juristischen Standpunkte betrachtet. 
2) Diese Behauptung Gruitschs ist unrichtig. 
63
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.